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Lache, wenn es nicht zum Weinen reicht

Es ist wieder einmal Zeit, euch zu berichten, was uns so umtreibt. Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr die eine oder andere Minute für diese Einblicke in unser Tun erübrigen könnt.

Wie immer ist damit die Bitte um Unterstützung verbunden. Die Zeiten sind hart und natürlich dreht man jetzt jeden Spendenpfennig mehr als dreimal um. Wenn ihr etwas entbehren könnt und wollt, zögert bitte nicht. Ohne falsche Bescheidenheit: Unser Einsatz ist oft der letzte Strohhalm für Geflüchtete! Hier der Link: https://paypal.me/neukoellnhilft

Briefe im Zug nach Nirgendwo

Beginnen wir mal mit einer Geschichte aus der Kategorie Pleiten, Pech und Pannen. Im August habe ich mir die Finger wund geschrieben, um einen Geflüchteten aus dem gröbsten Schlamassel rauszupauken. Ein Brief an eine Staatsanwaltschaft, ein Wisch an ein Amtsgericht und zwei Schriebe an Inkassofirmen. Der Geflüchtete, dem ich da helfen musste, ist kein schlimmer Finger. Nur jemand, der ein Jahr lang keine Briefe geöffnet hatte und etwa wegen wiederholtem Fahren ohne gültigem Ticket ordentlich in die Bredouille geriet. Keine Frage, das wäre eigentlich ein Fall für einen Anwalt gewesen. Der Sturkopf wollte jedoch partout keinen Anwalt haben. Ich war eigentlich recht zuversichtlich, dass sich schon alles lösen lassen würde. Spätestens seit Ende September begann ich mir jedoch Sorgen zu machen. Der Geflüchtete war telefonisch schwer bis gar nicht erreichbar, ließ vereinbarte Termine platzen und schien leider wieder dem Alkohol zuzusprechen. Längst hatten sich Antwortschreiben angesammelt, die er mir zeigen wollte. Und natürlich kam, wie es kommen musste. Ein erneuter Anlauf eines Treffens gipfelte darin, dass der Geflüchtete die Tasche mit den Briefen der vergangenen Wochen, zehn Stück sollen es gewesen sein, im öffentlichen Nahverkehr verlor. Und seither nicht wieder bekam. Nun also gilt es, die angeschriebenen Behörden und Inkassofirmen nochmals zu kontaktieren. Das wird ein Spaß. Traurig freilich ist, dass der Geflüchtete eigentlich ein sehr helles Köpfchen mit charismatischem Auftreten ist. Wie schade, dass ihn Arbeitsverbote in die Perspektivlosigkeit driften haben lassen. Und der Alkohol tut sein Übriges!

Ding-Dong-Ping-Pong

Geflüchtete haben eine Mitwirkungspflicht bei der Feststellung ihrer Identität. Wer keine Bemühungen bei der Passbeschaffung nachweisen kann, kommt über eine Duldung nicht hinaus. Doch wie sieht die Chose aus, wenn Ausländerbehörden selbst die Passbeschaffung sabotieren? Wir sind gerade mit zwei Fällen konfrontiert, bei denen zwei brandenburgische Ausländerbehörden die beigebrachten Originale von Geburtsurkunden einbehalten haben und den Geflüchteten lediglich eine mit Stempel versehene Kopie ausgehändigt haben. Doch ein Ding Dong bei der Botschaft bringt halt leider nichts. Weil besagte Botschaft gerne das Original der Geburtsurkunde vorgelegt bekommen will. Und wenn die Geflüchteten dann mit dieser Info bei der Ausländerbehörde aufschlagen, bekommen sie das Original der Geburtsurkunde freilich nicht ausgehändigt, sondern werden erneut an die Botschaft verwiesen. Dieses Ding-Dong-Ping-Pong vermochte bisher auch ein hinzugezogener Anwalt nicht zu durchbrechen. Da mit den Duldungen in beiden Fälle auch explizite Arbeitsverbote einhergehen, sind die seit mehr als 7 Jahren in Deutschland befindlichen Geflüchteten zur Untätigkeit verdammt. Könnt ihr euch ausmalen, wie es diesen beiden Menschen geht?

Elephant in the room

Machen wir uns nichts vor, Lösungen lassen nicht nur dann finden, wenn Geflüchtete im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch daran mitwirken. Und natürlich gibt es Geflüchtete, die sich zu sehr darauf verlassen, dass man Probleme schon irgendwie für sie löst. Doch gibt es auch den umgekehrten Fall. Dass Geflüchtete von mehreren Seiten Unterstützung bekommen. Aber eben nicht in dem Maße, welches nötig wäre, um die Lebenssituation nachhaltig zu bessern. Der Geflüchtete, um den es nun konkret geht, hat mindestens eine Handvoll Unterstützer, an die er sich wenden kann. Trotzdem hat sich seine Situation wieder einmal zugespitzt. Er steht Anfang Dezember ohne Zimmer da. Seit einigen Monaten schon ist er mal hier und da untergeschlüpft, eine dauerhafte Lösung fand sich nie. Eine Kirchengemeinde half ihm mit einer Meldeadresse aus, wodurch zumindest sichergestellt wurde, dass er nicht zum U-Boot wird. Doch das bessert seine Situation kaum. Er verfügt zwar über einen langfristigen Aufenthaltstitel. In der Welt prekärer Jobs lässt er sich auch nicht unterkriegen. Zugleich kommt er mit essentiellen Dingen überhaupt nicht zurecht. Er schafft es zum Beispiel nicht, eigenständig eine Banküberweisung vorzunehmen. Er scheitert an Bürokratie. Er muss an Termine bei Fachärzten erinnert werden. Doch verpasst er diese auch. Zu besonders wichtigen Terminen wird er, der seit drei Jahren eine schwerwiegende Erkrankung hat, oftmals begleitet. Eine Lösung wäre wohl eine gesetzliche Betreuung, doch diesen Elephant in the room spricht niemand an. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Geflüchtete ist nicht doof, ihm fehlt es halt an Konzentration und Eigenständigkeit. Momentan bin ich gerade wieder dran, ihm aus der Patsche zu helfen. Er hat vermutlich in einer Behörde in Berlin seinen Aufenthaltstitel verloren. Verlustanzeige ist gemacht, Fundbüro ist angeschrieben und auch die Ausländerbehörde wurde um einen zeitnahen Termin für die Neuausstellung des Aufenthaltstitels gebeten. Einen WBS-Antrag zur Lösung seiner Wohnsituation habe ich ebenfalls ausgefüllt. Doch selbst wenn sich auf wundersame Weise eine Wohnung für ihn findet, der Elefant im Raum wird mit einziehen.

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