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    Gesundheitssystem schadet der Gesundheit

    Heute wollen wir uns mal kurz mit Geflüchteten und dem deutschen Gesundheitssystem beschäftigen. Triggerwarnung, es wird unschön! Wir haben genug Erfahrungen gemacht, um zu sagen, dass dies keine Einzelfälle sind. Ein roter Faden zieht sich durch meine Gesprächen mit Geflüchteten: Die Diskrepanz zwischen dem, was mir von Gesprächen mit Ärzt*innen berichtet wird, und den Diagnosen, die sich dann schwarz auf weiß in Arztbriefen finden.

    Beginnen wir gleich mal mit einem Denkfehler, der in vielen Praxen und Kliniken weit verbreitet ist. Patient*innen sind nicht in einer Bittstellerfunktion. Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Es ist nicht allein die Aufgabe von Patient*innen, kommunikative Schwierigkeiten zu überwinden. Doch genau das wird zu oft erwartet. Selbst wenn sich Geflüchtete um bestmögliche Kooperation bemühen, kommen nicht selten Missverständnisse dabei heraus. Zum Aufwärmen fangen wir mit einer eigentlichen Lappalie an.

    Es dreht sich um eine IGeL-Leistung im Rahmen einer Schwangerschaftsuntersuchung bei der Gynäkologin. Ein externes Labor sollte einen Wert bestimmen. So weit, so gut. Doch kam die Rechnung nie an, angeblich wegen ungenügender Adressdaten. Die Mahnung kam an, just in der Zeit der turbulenten Geburt. Sie wurde im Tohuwabohu übersehen. Zwei Monate später folgte dann ein Inkassoschreiben einer darauf spezialisierter Anwaltskanzlei. Eine simple IGeL-Leistung wurde so extrem aufgebläht. Eine Nachfrage beim Labor, das all das beauftragt hatte, bezüglich Kulanzlösung wurde abgeschmettert. So schnell wie ein Medizinlabor Fälle ins Inkasso schickt, kenne ich das nicht mal von abzockenden Mobilfunkunternehmen.

    Problematischer ist da schon eine Geburt in einer Berliner Klinik, bei der sich Ärzt*innen und Pflegepersonal nicht die Mühe machten, eine Geburtseinleitung und den Kaiserschnitt der werdenden Mutter wirklich zu erklären. Die Mutter litt noch Wochen später an den Folgen. Und der Vater sprach erst Wochen später darüber, wie er vom Pflegepersonal angefaucht wurde, als er darum bat, sein Kind sehen zu dürfen. In einem stressigen Krankenhaussetting Frustrationen an denen auslassen, die sich vermutlich nicht wehren, ist falsch.

    Mit Schrecken erinnere ich mich noch an eine Abtreibung, die ich aus der Ferne begleitet habe. Es war eine schwere Entscheidung, mitten in der Pandemie, in einem Landkreis, in dem es gerade gar keine Unterstützung hinsichtlich Schwangerschaftsabbruch gab. So geriet natürlich auch die vorherige Beratung per Telefon zur Farce. Und als wäre das nicht schlimm genug, musste die Frau dann noch in der Ambulanz ewig unter unwürdigen Umständen auf den Eingriff warten. Schlimm! Bis heute mache ich mir Vorwürfe, dies nicht besser eingefädelt zu haben.

    Unvergessen ist auch der Fall eines Kindes, das im Mutterleid starb und in einer Berliner Klinik tot geboren wurde. Auch hier schickte die Klinik eine völlig überforderte Mutter kurz danach zurück in eine Brandenburgische Flüchtlingsunterkunft. Da ihr Mann sie natürlich aus Sorge begleitete, war ich dann allein mit dem Bestatter beim Begräbnis auf einem Berliner Friedhof. Die Frau erholte sich psychisch lange nicht davon. Therapeutische Hilfe wurde ihr in Brandenburg nicht zuteil.

    Ich habe schon sehr depressive Geflüchtete in Psychiatrische Institutsambulanzen begleitet, die dort mit einer banalen Diagnose und netten Worten abgespeist wurden. Man sei nicht zuständig, weil der Geflüchtete nicht in Berlin wohne. Weiterbehandlung sollte in Brandenburg erfolgen. Ich habe oft genug erlebt, dass Ärzt*innen ungeniert Geld für Atteste von Geflüchteten verlangen. Oder Medikamente auf blauen und grünen Rezepten verschreiben. Woher sollen Menschen, die ohnehin nur geringe Leistungen erhalten, das Geld dafür nehmen?

    Das bringt mich zu einem tragischen Fall. Ein Geflüchteter mit massiven Hornhautproblemen (Schwerbehindertengrad 100) konnte nach einer OP in einer Berliner Klinik endlich wieder besser sehen. Er erhielt Rezepte mit teuren Medikamenten, die er zur Nachsorge dauerhaft nehmen sollte. Ich organisierte eine einmalige finanzielle Unterstützung von 300 Euro über einen kirchlichen Härtefonds. Ein befreundeter Supporter übernahm die Medikamentenkosten für weitere drei Monate. Doch als kein Geld mehr da war, nahm der Geflüchtete die nötigen Medikamente einfach nicht mehr. Resultat war eine massive Verschlechterung der Augen, ein weiterer stationärer Aufenthalt in einer Klinik wurde nötig. Es ist Stand jetzt zu befürchten, dass er dauerhaft auf einem Auge blind sein wird. Natürlich mache ich mir auch Vorwürfe, beim zuständigen Sozialamt nicht mehr Druck auf eine Kostenübernahme gemacht zu haben.

    Das ist nur ein kleiner Einblick. Ich könnte auch Geschichten darüber erzählen, wie einem Geflüchteten ein falscher Zahn gezogen wurde. Oder von Ärzte berichten, die eine weibliche Begleitpersonen als Partnerin des Geflüchteten abtun, anzügliche Kommentare inbegriffen. Über die Kommunikation mit Krankenkassen könnte ich sogar einen Roman verfassen. Spoiler-Alert: AOK Nordost und Barmer kämen nicht so gut weg.

    Fazit: Ein Gesundheitssystem, dass auch ohne sprachliche Barrieren, Menschen oftmals unzureichend bis schlecht behandelt, zeigt sich gegenüber Geflüchteten natürlich oft völlig unsensibel.

    Danke für eure Aufmerksamkeit!

    Bitte unterstützt uns: https://www.wonderlink.de/@kunterbuntesneukoelln

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    Aus unserer Beratungspraxis (II)

    Uff, fragt ihr euch manchmal auch, ob ihr im falschen Film seid? Wir schon. Hier ein kleiner Einblick mit Fällen aus unserer Praxis. Doch zuerst müssen wir natürlich über den werten Herrn Merz sprechen. Das Problem ist nicht, dass Friedrich Merz lügt, wenn er behauptet, dass sich abgelehnte Asylbewerber in Deutschland die Zähne machen lassen würde und deutschen Bürgern deshalb Termine beim Zahnarzt wegnehmen würden. Das Problem besteht konkret darin, dass er damit viele Menschen erreicht, die diese Lügen glauben (wollen). In all den Jahren, in denen wir Geflüchteten dabei helfen, Arzttermin zu vereinbaren, sie nicht selten sogar begleiten, waren zahnärztliche Zermine stets unsere geringste Sorge. Und in den Fachrichtungen, in denen es verdammt schwer ist, halbwegs zeitnah einen Termin zu bekommen, schwelt der Missstand schon lange, nicht erst seit 2015 oder 2022. Da ist politisch gewollte Zwei-Klassen-Medizin die Wurzel allen Übels, nicht Hassan aus Syrien, Ibrahima aus Mali oder Svetlana aus Moldawien. Doch schauen wir uns mal ein paar Fälle aus unserer Praxis, diesmal mit dem Schwerpunkt auf medizinische Versorgung, an.

    Der eigentliche Preis einer Behandlung

    Er war gerade erst ein Teenager, als er zum Militär eingezogen wurde. In dem westafrikanischen Land herrschte zu diesem Zeitpunkt Bürgerkrieg. Eine Explosion verletzte ihn schwer am linken Bein. Bis heute leidet er unter dieser Verletzung. Doch dazu später mehr. Er floh in andere afrikanische Länder, wurde dort aber von Unruhen oder Hungersnöten eingeholt. Ende der 2000er erhaschte er ein Visa für Polen. Seine Absicht war jedoch nie, dort zu bleiben, er wollte in den Niederlanden um Asyl anzusuchen. Doch das Dublin-Verfahren machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Und so blieb er 10 Jahre in Polen, versuchte sich zu integrieren, heiratete eine Polin, bekam Kinder. Was er in Polen jedoch nie in ausreichendem Maße erhielt, war die medizinische Versorgung, die es ihm trotz körperlicher Einschränkung ermöglichen würde, ein annähernd normales Leben zu führen. Als schließlich auch die Ehe in die Brüche ging, stand er vor dem Nichts. So beschloss er, es abermals mit einem Asylantrag in den Niederlanden zu versuchen. Er kratzte das Geld für eine Fahrkarte zusammen, wurde aber an der deutsch-holländischen Grenze abgefangen und ins Erstaufnahmezentrum in Eisenhüttenstadt gebracht. Dank den Corona-Wirren kam es nicht zu einer Abschiebung nach Polen, mittlerweile ist Deutschland für den Geflüchteten zuständig. Er ist jetzt seit zweieinhalb Jahren hier in Deutschland. Die gute Nachricht: Hier erfuhr er eine adäquate Behandlung seiner Behinderung. Die schlechte Nachricht: Seine Perspektive in Deutschland sieht eher düster aus. Er lebt nun in einer Gemeinschaftsunterkunft nahe Berlin. Dort steckte ihm jemand meine Nummer zu. Zuerst einmal habe ich einen Anwalt eingeschaltet. Doch auch dieser meint, dass die Perspektiven für einen Aufenthaltstitel in Deutschland nicht gut seien. Anders sehe es wohl in Polen aus. Und so sehr er auch Sehnsucht nach seinen Kindern in Polen hat, so sehr fürchtet er, in das Land zurück zu müssen, dass ihm so lange Zeit so übel mitgespielt hat. Er möchte in Deutschland bleiben, weil er erst hier Zugang zu den so dringend benötigten medizinischen Leistungen hat, die eine Arbeitsfähigkeit sicherstellen. Er ist arbeitswillig, will mit dem verdienten Geld seinen Kindern ein gutes Leben ermöglichen. Der Preis für all das ist aber, dass er seine Kinder nicht im Arm halten kann. Ist er wirklich die Sorte „böser Ausländer“, der Deutschen Termine bei Ärzten und in Ambulanzen stiehlt?

    Ein abwimmelndes System

    Eine afghanische Familie, seit einigen Jahren hier in Deutschland, hatte Anfang 2022 Glück. Nach vielen Jahren, in denen sie in Hostels und Unterkünften in Berlin versauert ist, fand sie gerade noch vor Ausbruch des russischen Angriffskriegs hier in Berlin endlich eine eigene Wohnung. Der Preis dafür war aber hoch. Die erwachsene Tochter, die sich um alle Belange gekümmert hat, obwohl sie sich gerade auf den Beginn ihres Studium vorbereiten sollte, hat den Stress mit einem körperlichen und nervlichen Zusammenbruch bezahlt. Doch das ist Schnee von gestern, ihr Einstieg ins Studium ist mehr als nur geglückt. Eigentlich könnte nun alles gut sein, doch wurde ich dieser Tage wieder um Rat gefragt. Der mittlerweile ebenfalls volljährige Sohn der Familie leidet schon lange an einer psychischen Erkrankung. In den letzten Jahren war er deshalb viele Monate in psychiatrischen Einrichtungen in Berliner Kliniken. Nun hat sich sein Gesundheitszustand zwar leicht verbessert, eine Perspektive hat aber nicht. Die Familie hat sich schon vermehrt um Hilfestellungen bei renommierten Vereinen und Beratungsstellen bemüht, ist aber bislang immer wieder abgeblitzt. Dadurch, dass er nun volljährig ist, fallen Angebote für Minderjährige weg. Und deshalb werde ich, der ich in der Vergangenheit bereits in Krisensituation in bescheidenem Maße Unterstützung leisten konnte, nun versuchen, Türöffner zu sein. Das ist ja das eigentlich frustrierende Element an der Situation. Dass die Organisationen und amtlichen Stellen, die eigentlich Anlaufstelle sein sollten, gerne mal – bewusst oder unbewusst – Hürden aufbauen, die selbst engagierte Familien nicht überwinden können. Man wird erst mal abgewimmelt oder vertröstet. Es braucht leider, leider erst Akteure mit Kenntnis des Systems, die da einen Fuß in die Tür stellen und auch nicht weichen. Ich werde also die nächsten Wochen ein wenig Hirnschmalz und einiges an Beharrlichkeit in eine echte Problemlösung stecken müssen. Und mir ist es wirklich egal, ob dies Herrn Merz genehm ist.

    Unsensible Entscheidungsfindung

    Mehr als einmal haben wir uns von Geflüchteten anhören dürfen, dass ein Problem Europas die Allergien sind. In Afrika hätten sie keine Allergien gehabt, hier in Europa machen ihnen diese schwer zu schaffen. Gut, dafür gäbe es in Afrika Moskitos und Malaria, das wiederum sei zum Glück hier kein Problem. Wir kennen so einige Allergiker, denen Birke, Ragweed oder Hausstaub ordentlich zusetzen. Und da können auch Cetirizin oder Nasenssprays keine große Linderung schaffen. Darum haben wir schon mehrfach HNO-Ärzt*innen in Berlin aufgesucht. Prinzipiell ist so ein Besuch bei Fachärzt*innen kein Zuckerschlecken. Es muss ruckzuck gehen, für 5 Minuten im Behandlungsraum darf man durchaus eine Stunde Nachbesprechung einkalkulieren, um das Gehörte dann auch einzuordnen. Gerade wenn es beispielsweise um Desensibilisierungstherapie bei Allergien geht. Damals, als so manche tschadischen Geflüchteten, die wir unterstützt haben, noch ausgesprochen unsichere Aufenthaltsperspektiven hatten, wurde gern von ärztlicher Seite darauf hingewiesen, dass man diese auch 3 Jahre lang durchziehen muss, weil sonst der Schaden größer als der Nutzen sein könnte. Konnte man aber Geflüchteten, die lange von einer Abschiebung nach Italien bedroht waren, ob der Aussicht eines nicht unwahrscheinlichen Behandlungsabbruchs wirklich zu einer langfristigen Therapie raten? Irgendwie ist man in der unterstützenden Position dann doch auch in einer Rolle, ungewollt eine Entscheidung für oder gegen die Therapie zu treffen, je nachdem, wie man das Pro und Contra der ärztlichen Einschätzung in der Erklärung gewichtet. Das sollte aber so nicht sein. Ärzt*innen sollten ein unsicheres Zögern dann eben nicht mit den Worten abtun, dass man ja wiederkommen können, wenn man sich entschieden habe. Mehr Zeit für Erklärungen muss sein, selbst wenn im Wartezimmer Herr Merz sitzt.

  • In eigener Sache,  Neues,  Neukölln

    Refugee Report I

    Themen aus unserer Praxis

    Auch heute wollen wir euch wieder Einblick in unser Tun geben. Wie immer gilt: Lesen auf eigene Gefahr. Wir wollen ja nicht, dass ihr euch vor lauter Kopfschütteln den Nacken verrenkt.

    Pflegeschreck Jobcenter

    Eine der zukunftsträchtigsten Ausbildungen, die man in einem alternden Deutschland machen kann, ist der Gang in die Pflege. Ein junger Familienvater aus Nigeria, in einem Brandenburgischen Kaff an der Grenze zu Sachsen-Anhalt wohnhaft, ist fest entschlossen, eine Ausbildung zum mobilen Pflegehelfer zu machen. Das zuständige Jobcenter müsste nur die Kosten dafür übernehmen. Die Weiterbildungsmaßnahme würde auch den Erwerb eines Führerscheins beinhalten, welchen man als mobiler Pflegehelfer doch ganz gut brauchen könnte. Doch genau da sperrt sich das Jobcenter. Der Erwerb eines Führerscheins gehöre nicht zu den Aufgaben der aktiven Arbeitsförderung. Es seien anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten zu prüfen. Und da in der Region ausreichend Stellen in stationären Einrichtungen vorhanden seien, sei der Führerschein in die Integration in Arbeit nicht notwendig. Unser Vorschlag zur Güte: Unnütze Jobvermittler entlassen und das eingesparte Geld in die berufliche Zukunft jener Menschen investieren, die tatsächlich einen gesellschaftlich wertvollen Beitrag leisten wollen.

    Betrogen bei der Wohnungssuche

    Man stelle sich einen syrischen Geflüchteten Mitte 20 vor, der 2015 nach Deutschland gekommen ist. Sein Deutsch ist mindestens auf C1-Niveau, er studiert in Berlin und arbeitet nebenbei in der Gastronomie. Also alles in Butter? Nein, seine Wohnverhältnisse sind prekär und er sucht schon länger eine neue Wohnung. Nach vielen Frustrationen, die eine Wohnungssuche heutzutage mit sich bringt, wähnte er sich im Glück. Er antwortete auf eine private Annonce, wurde zu einer Besichtigung der Wohnung in Neukölln eingeladen. Für eine Abstandszahlung von 6000 Euro würde er die Wohnung vom Vormieter übernehmen können. Er kratzte das Geld zusammen. Alles schien so zu laufen, wie es dieser Tage halt bei der Wohnungssuche so läuft. Die Schlüssel zur Wohnung würde er bei Auszug des Vormieters erhalten. Kaum war das Geld übergeben, herrschte plötzlich Funkstille. Auf keinem der bisherigen Kontaktkanäle gab es irgendeine Form von Rückmeldung. Der Syrer erstattete Anzeige. Fuhr mehrfach zur Wohnung, wo er niemanden antraf. Erst Wochen später öffnete eine ihm unbekannte Person die Tür. Es war der eigentliche Mieter der Wohnung. Dieser hat die Wohnung mehrere Monate zwischenvermietet gehabt. Allem Anschein nach hatte der vermeintliche Zwischenmieter eine in den Details raffinierte Betrugsmasche aufgezogen. Eine Nachfrage bei der Polizei ergab, dass diese den Betrug zwar ans LKA weitergeleitet hatte, aber angesichts des geringen Betrags dem Fall nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt werden würde. Der Syrer ist geknickt, blickt bei der Wohnungssuche freilich wieder nach vorn und stellt sich dabei folgende Frage: Warum nur ist es ausgerechnet ihm nicht möglich, auf bestechliche Mitarbeiter*innen städtischer Wohnbaufirmen zu treffen und auf diese Weise eine Wohnung zu ergattern? Er höre immer davon, aber Namen wolle niemand rausrücken…

    Rassismusvorwurf gegen Security bei Kaufland

    Zunächst die Fakten: Es geht um einen Diebstahl von einer Packung Salamisticks und eines Kosmetikartikels in der Höhe von unter 3,44 Euro in einem großen Supermarkt nahe dem Alexanderplatz. Dieser Tage flatterte der Strafbefehl ins Haus. 40 Tagessätze zu je 15 Euro, also insgesamt 600, solle der Geflüchtete zahlen. Falls bei ihm nichts zu holen sei, tritt an Stelle eines Tagessatzes ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Dass laut Strafbefehl an der Strafverfolgung ein besonderes öffentliches Interesse besteht, daran haben wir keinen Zweifel. Der Verurteilte widerspricht der Darstellung des Securitymitarbeiters, spricht davon, dass ein arabisch sprechender Securitymitarbeiter besonders Menschen mit schwarzer Hautfarbe auf dem Kieker habe. Das alles ist nicht nachprüfbar. Dass dieser Securitymitarbeiter mit Migrationshintergrund im Strafbefehl nicht als Zeuge genannt wird, ist merkwürdig. Stattdessen wird als Zeuge ein Name genannt, der sehr deutsch und doch einigermaßen einzigartig klingt. Wer diesen Namen googelt, stößt auf ein Facebook-Profil, welches allein in den letzten 2 Wochen zwei Aussagen von Alice Weidel öffentlich geteilt hat. Der Rassismusvorwurf, den der verurteilte Geflüchtete äußert, klingt aufgrund dessen nicht wirklich unglaubwürdiger. Kann es sein, dass Kaufland da mal genauer hingucken sollte? Was glaubt ihr? Lohnt es, hier nachträglich noch einen Anwalt einzuschalten?

    Im Tschad brennts

    Ein Putsch im Niger, eine abgesetzter Präsident in Gabun. Vom schlimmen Bürgerkrieg im Sudan ganz zu schweigen. In Afrika geht es gerade ab. Doch was es zu uns in die Nachrichten schafft, ist nur die Spitze des Eisbergs. Dass schwarze Menschen, die als Minderheit seit Jahrzehnten im Süden Libyens leben, nun aus ihren Viertel vertrieben und in Gefängnislager gesperrt werden, bleibt beispielsweise unerwähnt. Auch der Umstand, dass es in Faya, einer Oasenstadt im Norden Tschads, gerade massive Unruhen gibt, ist der europäischen Öffentlichkeit nicht bekannt. Die hiesige Bevölkerung wendet sich gerade gegen französische Soldaten der Militärbasis der Stadt, nachdem französische Soldaten aus vermeintlicher Notwehr heraus Exekutionen im Kopfschuss-Stil begehen. Diese Auflehnung gegen die französische Besatzung reiht sich nahtlos in die jüngsten Hiobsbotschaften aus dem Land ein. Da wäre der große Ansturm vor dem Krieg flüchtender Menschen aus dem Sudan, damit verbunden ist in dieser Gegend eine massive Hungersnot und eine medizinische Katastrophe. Dazu drohen die bereits begonnenen Vertreibungen aus Libyen. Und da wäre noch der von Frankreich und vom Militär gestützte Diktator, der immer neue Gründe findet keine Wahlen abzuhalten. Unsere tschadischen Freunde werden in den nächsten Wochen auch mit Demos auf den skrupellosen französischen Neokolonialismus aufmerksam machen.

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    Point of no Return & Durchgeknallt und obdachlos

    Wir haben euch schon länger kein Update gegeben, was auch daran liegt, dass es derzeit an Negativität nicht mangelt und neben kleinen Erfolgen derzeit leider auch in unserem Tun eher mittlere und große Katastrophen dominieren. Wir werden in den nächsten Tagen mehrere Updates posten, vielleicht seid ihr trotzdem an dem einen oder anderen Schicksal interessiert:

    Point of no Return

    Einen jungen Mann aus dem Tschad (Baujahr 1999), wohnhaft in einem Städtchen im Westen Brandenburgs, haben wir lange Zeit mal mehr, mal weniger begleitet. Zumindest vor Corona hatten wir viel Hoffnung, was seine Perspektive in Deutschland angeht. Er wollte seinen Schulabschluss nachholen und träumte davon, Lokführer zu werden. Alles schien möglich. Doch gerade in den letzten drei Jahren ging alles den Bach runter. Er schmiss die Schule, gerade weil es während der ersten Lockdowns natürlich auch nicht so viele Möglichkeiten zur Nachhilfe gab, damit ging natürlich auch der Traum vom Lokführer flöten. Auch weitere Ausbildungsmöglichkeiten verliefen im Sande, in seinen Jobs, etwa bei Tesla als Gabelstaplerfahrer, wurde er auch nicht wirklich glücklich.

    Dazu kamen private Probleme. Er hatte ein gemeinsames Kind mit einer Deutschen. Und obwohl diese 2022 in die Psychiatrie eingewiesen wurde, durfte er das Kind viele, viele Monate nicht sehen. Er hätte keinen Bezug zum Kind, argumentierte das Jugendamt. Erst Anfang diesen Jahres konnte er nach langem Hin und Her bei Gericht ein Umgangsrecht erwirken, eine Sorgerecht blieb in weiter Ferne. Ebenso quälte ihn, dass er noch immer eine Aufenthaltsgestattung hatte. Ein anwaltlicher Antrag, seine Klage gegen die Asylablehnung zurückzuziehen, um wenigstens den neu eingeführten Chancenaufenthalt zu bekommen, wurde laut Anwalt vom Gericht abgeschmettert. Sein Arbeitgeber Tesla, bei dem er beschäftigt war, hatte ihm zudem von einem Tag auf den anderen mitgeteilt, dass eine Arbeitserlaubnis nicht mehr für die Anstellung reichen würde, sondern er sofort einen Aufenthaltstitel vorlegen müsste. Als er diesen nicht beibringen konnte, wurde er entlassen.

    Irgendwann im Lauf des Frühjahrs war er mit den Nerven fertig, der Point of no Return erreicht: Er würde zurück in den Tschad gehen, weil es seiner Familie nicht gut ging. Trotz aller Risken, trotz aller Probleme! Sein einziger Wunsch hier in Deutschland war es, wenigstens den teuren Flug in den Tschad irgendwie bezahlt zu bekommen. Doch Rückkehrhilfe ist in Brandenburg allem Anschein nach ein Fremdwort. Die Ausländerbehörde winkte ab und verwies ihn an die örtliche Beratungsstelle der Diakonie. Der Haken daran war, dass es diese Beratungsstelle längst nicht mehr gab. Ich hatte eher halbherzig in Berlin ein paar Institutionen angefragt, aber entweder waren diese nur für Berlin zuständig oder aber sie meldeten sich schlicht nicht zurück. Halbherzig habe ich hauptsächlich deshalb agiert, weil ich im Stillen hoffte, dass dies nur eine Laune des jungen Mannes sei und er sich wieder fangen würde.

    Ende Mai schließlich erzählten mir befreundete Landsleute, dass der Geflüchtete tatsächlich in Tschad zurückgegangen war. Ich kontaktierte ihn per WhatsApp, er klang ungemein gelöst, so als würde er erst jetzt wieder daran glauben, irgendwie, irgendwo und vielen Widrigkeiten zum Trotz eine Zukunft zu haben. Er habe zwar selten Handyempfang und Strom gebe es im Dorf auch quasi nicht, er sei aber froh, in schweren Zeiten bei seiner Familie zu sein und helfen zu können. Die Passivität, die ihn hier in Deutschland in den Klauen hatte, war zugunsten des Gefühls, selbst anpacken und helfen zu können, gewichen.

    Als Wermutstropfen bleibt ein Kind, dass ohne einen sehr liebevollen Vater als Menschen aufwachsen muss. Das System Deutschland hat einen intelligenten jungen Menschen weichgekocht und ausgespuckt, ihm selbst bei seiner Rückkehr in den Tschad noch einen Tritt in den Hintern verpasst.

    Durchgeknallt und obdachlos

    Dienstag früh nahm ich aufgrund eines Außentermins nicht den üblichen Weg zur Arbeit, sondern trieb mich müde und mit Kaffee bewaffnet in der Nähe des Ostbahnhofs rum, als ich plötzlich einen von einem Zeltlager in der Mitte einer kleinen Wiese winkenden Mann sah. Mit einem Mal war ich wach! Vor mir stand A., ein seit einigen Wochen verschollenes „Sorgenkind“. Er begrüßte mich auf Deutschland und generell die ganze Welt schimpfend.

    Spulen wir mal zwei Jahre zurück. A., ein Tschader damals Anfang 30, hätte eigentlich einigermaßen froh sein können. Er hatte über die Vermittlung von jobs4refugees einen Job in einem Gartenbauunternehmen aufnehmen können. Er, der sich mehrere Jahre hatte gehen lassen und unzählige Strafen wegen Fahrens ohne Ticket angehäuft hatte, hatte zu diesem Zeitpunkt einen Unterstützer, der sich um mindestens ein Dutzend aufgelaufener Inkassoforderungen kümmerte. Ein Neustart nach bescheidenen Jahren schien möglich. Doch dazu kam es nicht. Denn wenige Tage vor Beginn des Jobs wurde er im Görlitzer Park überfallen und an der Schulter verletzt. Hallo Krankenhaus, adieu Job! Die Probleme mit der Schulter würden ihn noch einige Zeit begleiten. Er blieb der Pechvogel, der er auch schon zuvor gewesen war. Wobei Pech das ganze Schlamassel nur unzureichend beschreibt. A. zählte auch in der tschadischen Community schon länger zu den Abgehängten. Obwohl seit mindestens 2013 in Deutschland hatte er nie wirklich Deutsch gelernt, sondern sich ein Kauderwelsch angeeignet, was die Verständigung nicht immer einfach machte. Latent wohl länger vorhandene psychische Probleme wurden durch traumatisierende Erfahrungen verstärkt. Bei fast jeder Gelegenheit erzählte er die Geschichte eines länger zurückliegenden, mehrmonatigen Gefängnisaufenthalts. Bis heute kennt er den Grund dafür nicht. Er sei mit einem umtriebigen Supporter zu einem Gerichtstermin in Potsdam gebracht und dort länger befragt worden. Anschließend sei ihm gesagt worden, dass er gehen dürfe. Er sei mit dem Supporter dann aus dem Gerichtsgebäude geschlendert, nur um dann von einem Polizisten oder Angehörigen der Justizwache dann doch aufgehalten und in einer Wanne in ein Gefängnis gebracht zu werden. Dort habe man ihn mies behandelt, er hätte sich nackt ausziehen müssen und es wäre ein Ganzkörperröntgen gemacht worden. In seiner Zelle hätte er öfter Notizen auf arabisch auf einen Block gemalt. Dies führte dazu, dass er von einem Wächter fälschlich verdächtigt wurde, Al-Quaida nahezustehen. Er sei mehrfach verhört worden, ihm seien Bilder nackter Frauen gezeigt worden, vermutlich um eine Reaktion zu provozieren. So weit die nicht nachprüfbare Geschichte, wie er sie immer wieder erzählte.

    Bevor wir das alles als Schauermärchen abtun, will ich mal die für mich nachprüfbaren Fakten darlegen. Es gab tatsächlich eine stark zerfledderte Bescheinigung von einem mehrwöchigen Aufenthalt in einer brandenburgischen Psychiatrie. Was in den mickrigen Unterlagen jedoch fehlte, war irgendein Hinweis darauf, dass er danach jemals wieder in psychiatrischer Behandlung war. Was auch immer der Auslöser für die Einweisung war, der mentalen Gesundheit wurde anschließend keine Aufmerksamkeit geschenkt. Nun hatte A. tatsächlich mehrere Jahre einen Anwalt, doch zu diesem konnte man nicht mehr gehen, um mehr über die Vorgeschichte zu erfahren. Der Anwalt hatte seine Tätigkeit aufgegeben, ein Nachfolger sollte zunächst die Kanzlei und das Mandat übernehmen. Die Kanzleiübernahme wurde jedoch abgeblasen und schließlich landeten die Akten bei einem eher für russischsprachige Mandaten agierenden Anwalt. Zu diesem wollte der Tschader keinerlei Kontakt, überhaupt traute er Anwälten nicht mehr über den Weg. Also blieb dieser Weg der Aufarbeitung außen vor.

    Nicht hilfreich bei dem Versuch, A. wieder auf die Beine zu helfen, war der Umstand, dass der Mann öfter mal zu Drogen griff, zumindest Marihuanakonsum steht außer Zweifel. In von Drogen benebeltem Zustand war er zuvor schon mal aus Fenstern seiner Potsdamer Flüchtlingsunterkunft gefallen. Als er sich Anfang 2022 noch mit Supporter überwarf, schien dies kurzzeitig sogar ein Segen. Er hatte kein Geld für Drogen und blieb im Heim im Potsdam. Doch irgendwann Ende letzten Jahres dürfte er dann in ein betreutes Wohnen verlegt worden sein. Dort fühlte er sich allem Anschein nach nicht wohl, er kam wieder öfter nach Berlin, trieb sich an Treffpunkten der tschadischen Community herum und bettelte seine Landsleute um Geld an. Und das bringt uns nun wieder zu jenem Dienstagmorgen.

    A. begrüßte mich also schimpfend. Seine Landsleute würden mit dem deutschen System unter einer Decke stecken. Alle, denen er früher vertraut hätte, hätten sich gegen ihn verschworen. Er sei zu oft „in den A*sch ge*ickt“ worden. Er lebe jetzt schon 2 Monate auf der Straße, schlafe entweder auf der Wiese nahe dem Ostbahnhof oder bei schlechtem Wetter in einem Park. Er habe alles, alles satt. Er wolle zurück in den Tschad, dort sei seine Familie angesehen, hätte früher sogar Könige gestellt. Mein Blick fiel auf seine verkrüppelten, nackten Füße. Seine Schuhe seien vom Regen des vergangenen Tages nass, er habe kaum etwas zum Anziehen, keine vernünftigen Schuhe und leider auch kein Geld für ein Ticket aus dem Elend. Ich musste weiter, ich versprach aber, ihn in den kommenden Tagen dort wieder aufzusuchen.

    Durchgeknallt und obdachlos, so lautet das triste Fazit dieser Begegnung. Wie ich ihm helfen kann, ist mir nicht ganz klar. Falls jemand Kleidung in Größe M und Schuhe in der Größe 43 übrig hat, würde ich ihn wenigstens damit versorgen. Mehr an Hilfe scheint nicht möglich, ein tristes Ende vorprogrammiert. Mich persönlich hat dieses Zusammentreffen sehr traurig gestimmt.

    Danke für das Lesen dieser Zeilen. Demnächst mehr, dann auch wieder mit ein paar Lichtblicken.

    Wer unsere Arbeit unterstützen möchte, kann dies via Paypal tun: https://paypal.me/neukoellnhilft

    Danke!

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    Immer locker bleiben, Sisyphos!

    Immer locker bleiben, muntern wir uns auf. Aber momentan ist nichts einfach und alles kompliziert. Doch lest selbst, warum wir uns wie Sisyphos fühlen.

    Vorab eine große Bitte: Unsere Spendenkasse (PayPal.Me/neukoellnhilft) ist leer. Zögert also nicht, wenn ihr helfen wollt und könnt, denn… Weihnachten naht!

    Tausend Sorgen und kein Cent

    Die letzten Monate habe ich so einiges an Hirnschmalz investiert, um den Schuldenberg eines Geflüchteten zu überblicken. So einige der bösen Briefe sind auf das Fahren ohne Ticket zurückzuführen, doch da sich der Geflüchtete auch verbal mit der Polizei angelegt hat, weil er sich rassistisch behandelt fühlte, waren auch die einige Brief von Staatsanwaltschaft und Gericht dabei. Die Tagessätze, zu denen er verurteilt wurde, lassen wenig Hoffnung zu. Dazu gesellt sich noch die eine oder andere schikanöse Forderung des Landkreises. Das Arbeitsverbot, mit dem er zudem von der Ausländerbehörde belegt wurde, zwingt ihn zur Untätigkeit. Und die Sorgen ertränkt er in Alkohol. Es ist schade, denn er ist ein kluger und zugleich charismatischer Kerl. Nun war der Plan, dass ich Ratenzahlungen aushandle und er durch eine illegale Beschäftigung Geld verdient, um mindestens 150 Euro im Monat abzustottern. So weit die Theorie. Dieser Tage nun rief er mich an und teilte mir mit, dass es mit der Arbeit nichts wird und er somit die ausgehandelten Ratenzahlungen nicht leisten könne. Dass es für ihn scheinbar keine Lösung gibt, ist extrem betrüblich. Ja, mit seiner impulsiven und aufmüpfigen Art steht er sich selbst im Wege. Aber nein, sein Leben müsste so bescheiden nicht sein. Ich bin ratlos.

    Hausverbot in der VHS

    Das ist mir so auch noch nicht untergekommen. Dass mir ein Brief vor die Nase gehalten wird, in welchem ein brandenburgische VHS gegenüber einer geflüchteten Frau ein Hausverbot ausspricht. Die Frau war allem Anschein nach nicht zum ersten Mal verbal mit dem Dozenten des Integrationskurses aneinandergeraten, fühlte sich schlecht behandelt. Als die Lehrkraft begann, den Wortwechsel per Smartphone zu filmen, kam es zur Eskalation. Die Frau wurde des Kurses verwiesen und wollte den Raum nicht verlassen, weshalb die Polizei eingeschaltet wurde. So das Bild, welches sich durch die Schilderung der Geflüchteten und der von mir erbetenen Stellungnahme der Direktorin der VHS ergibt. Ich habe natürlich versucht, bei der VHS eine Aufhebung des Hausverbots und die Versetzung in einen anderen Kurs zu erwirken. Leider ohne Erfolg. In der Antwort hielt man der Geflüchteten vor, dass sie nicht regelmäßig am Kurs teilgenommen habe. Die Geflüchtete wiederum argumentiert, dass sie teils deshalb nicht kommen hatte können, weil ihre Kinder daheim krank gewesen wären. Das Problem. welches sich nun stellt, ist der Mangel an alternativen Kursangeboten im Landkreis. Für mich bleibt der Eindruck, dass die Geflüchtete hier von der VHS im Stich gelassen wurde. Die Andeutung der Leitung, dass die Geflüchtete aufgrund familiärer Probleme derzeit mit einem Integrationskurs überfordert wäre, halte ich für problematisch. Die mir bekannten Probleme der Familie bestanden zumindest 2021 darin, dass die Kinder der Familie den Selbstmord eines befreundeten, geflüchteten Nachbarn quasi live miterleben mussten und viel darüber sprachen. Fassen wir also zusammen: Die Frau hat es nicht leicht und statt konstruktiven Hilfsangeboten werden ihr immer weiter Steine in den Weg gelegt. Es ist eine Schande!

    Die Last der Unterhaltungsverpflichtungen

    Müde schaute der Geflüchtete aus, als ich ihn dieser Tage vormittags in einem Kreuzberger Cafe traf. Er kam gerade aus der Nachtschicht eines prekären Knochenjobs. Trotz Zulagen darf er sich am Ende des Monat nur über 1400 Euro netto freuen. Und dann ist da noch der Wisch vom Jugendamt, wonach er für seine beiden Kinder, die er wochenends sehen darf, gefälligst Unterhalt zu zahlen hat. Nach Jahren, in denen er von Sozialleistungen abhängig war, gelang ihm diesen Sommer der Einstieg ins Berufsleben. Im Sommer schien noch alles gut zu werden. Er freute sich, endlich arbeiten zu dürfen, selbst ein Zimmer in Berlin hatte er gefunden. Doch nun soll er 232 Euro monatlich an Unterhalt und zudem bereits aufgelaufene Schulden an die Unterhaltsvorschusskasse in Raten bezahlen. Er zeigte mir seine Kontoauszüge, bejammerte gestiegene Wohn- und Stromkosten, zählte mir seine Verpflichtungen – er muss auch seine Familie in der Heimat helfen – auf. Da bleibt für ihn so gut wie nichts. Ich habe jetzt in einem Akt von Ratlosigkeit nochmals um eine Überprüfung des ermittelten Unterhalts angesucht und allerlei Belege hingeschickt. Er schöpfte Hoffnung. Müde freilich war er immer noch.

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    Lache, wenn es nicht zum Weinen reicht

    Es ist wieder einmal Zeit, euch zu berichten, was uns so umtreibt. Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr die eine oder andere Minute für diese Einblicke in unser Tun erübrigen könnt.

    Wie immer ist damit die Bitte um Unterstützung verbunden. Die Zeiten sind hart und natürlich dreht man jetzt jeden Spendenpfennig mehr als dreimal um. Wenn ihr etwas entbehren könnt und wollt, zögert bitte nicht. Ohne falsche Bescheidenheit: Unser Einsatz ist oft der letzte Strohhalm für Geflüchtete! Hier der Link: https://paypal.me/neukoellnhilft

    Briefe im Zug nach Nirgendwo

    Beginnen wir mal mit einer Geschichte aus der Kategorie Pleiten, Pech und Pannen. Im August habe ich mir die Finger wund geschrieben, um einen Geflüchteten aus dem gröbsten Schlamassel rauszupauken. Ein Brief an eine Staatsanwaltschaft, ein Wisch an ein Amtsgericht und zwei Schriebe an Inkassofirmen. Der Geflüchtete, dem ich da helfen musste, ist kein schlimmer Finger. Nur jemand, der ein Jahr lang keine Briefe geöffnet hatte und etwa wegen wiederholtem Fahren ohne gültigem Ticket ordentlich in die Bredouille geriet. Keine Frage, das wäre eigentlich ein Fall für einen Anwalt gewesen. Der Sturkopf wollte jedoch partout keinen Anwalt haben. Ich war eigentlich recht zuversichtlich, dass sich schon alles lösen lassen würde. Spätestens seit Ende September begann ich mir jedoch Sorgen zu machen. Der Geflüchtete war telefonisch schwer bis gar nicht erreichbar, ließ vereinbarte Termine platzen und schien leider wieder dem Alkohol zuzusprechen. Längst hatten sich Antwortschreiben angesammelt, die er mir zeigen wollte. Und natürlich kam, wie es kommen musste. Ein erneuter Anlauf eines Treffens gipfelte darin, dass der Geflüchtete die Tasche mit den Briefen der vergangenen Wochen, zehn Stück sollen es gewesen sein, im öffentlichen Nahverkehr verlor. Und seither nicht wieder bekam. Nun also gilt es, die angeschriebenen Behörden und Inkassofirmen nochmals zu kontaktieren. Das wird ein Spaß. Traurig freilich ist, dass der Geflüchtete eigentlich ein sehr helles Köpfchen mit charismatischem Auftreten ist. Wie schade, dass ihn Arbeitsverbote in die Perspektivlosigkeit driften haben lassen. Und der Alkohol tut sein Übriges!

    Ding-Dong-Ping-Pong

    Geflüchtete haben eine Mitwirkungspflicht bei der Feststellung ihrer Identität. Wer keine Bemühungen bei der Passbeschaffung nachweisen kann, kommt über eine Duldung nicht hinaus. Doch wie sieht die Chose aus, wenn Ausländerbehörden selbst die Passbeschaffung sabotieren? Wir sind gerade mit zwei Fällen konfrontiert, bei denen zwei brandenburgische Ausländerbehörden die beigebrachten Originale von Geburtsurkunden einbehalten haben und den Geflüchteten lediglich eine mit Stempel versehene Kopie ausgehändigt haben. Doch ein Ding Dong bei der Botschaft bringt halt leider nichts. Weil besagte Botschaft gerne das Original der Geburtsurkunde vorgelegt bekommen will. Und wenn die Geflüchteten dann mit dieser Info bei der Ausländerbehörde aufschlagen, bekommen sie das Original der Geburtsurkunde freilich nicht ausgehändigt, sondern werden erneut an die Botschaft verwiesen. Dieses Ding-Dong-Ping-Pong vermochte bisher auch ein hinzugezogener Anwalt nicht zu durchbrechen. Da mit den Duldungen in beiden Fälle auch explizite Arbeitsverbote einhergehen, sind die seit mehr als 7 Jahren in Deutschland befindlichen Geflüchteten zur Untätigkeit verdammt. Könnt ihr euch ausmalen, wie es diesen beiden Menschen geht?

    Elephant in the room

    Machen wir uns nichts vor, Lösungen lassen nicht nur dann finden, wenn Geflüchtete im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch daran mitwirken. Und natürlich gibt es Geflüchtete, die sich zu sehr darauf verlassen, dass man Probleme schon irgendwie für sie löst. Doch gibt es auch den umgekehrten Fall. Dass Geflüchtete von mehreren Seiten Unterstützung bekommen. Aber eben nicht in dem Maße, welches nötig wäre, um die Lebenssituation nachhaltig zu bessern. Der Geflüchtete, um den es nun konkret geht, hat mindestens eine Handvoll Unterstützer, an die er sich wenden kann. Trotzdem hat sich seine Situation wieder einmal zugespitzt. Er steht Anfang Dezember ohne Zimmer da. Seit einigen Monaten schon ist er mal hier und da untergeschlüpft, eine dauerhafte Lösung fand sich nie. Eine Kirchengemeinde half ihm mit einer Meldeadresse aus, wodurch zumindest sichergestellt wurde, dass er nicht zum U-Boot wird. Doch das bessert seine Situation kaum. Er verfügt zwar über einen langfristigen Aufenthaltstitel. In der Welt prekärer Jobs lässt er sich auch nicht unterkriegen. Zugleich kommt er mit essentiellen Dingen überhaupt nicht zurecht. Er schafft es zum Beispiel nicht, eigenständig eine Banküberweisung vorzunehmen. Er scheitert an Bürokratie. Er muss an Termine bei Fachärzten erinnert werden. Doch verpasst er diese auch. Zu besonders wichtigen Terminen wird er, der seit drei Jahren eine schwerwiegende Erkrankung hat, oftmals begleitet. Eine Lösung wäre wohl eine gesetzliche Betreuung, doch diesen Elephant in the room spricht niemand an. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Geflüchtete ist nicht doof, ihm fehlt es halt an Konzentration und Eigenständigkeit. Momentan bin ich gerade wieder dran, ihm aus der Patsche zu helfen. Er hat vermutlich in einer Behörde in Berlin seinen Aufenthaltstitel verloren. Verlustanzeige ist gemacht, Fundbüro ist angeschrieben und auch die Ausländerbehörde wurde um einen zeitnahen Termin für die Neuausstellung des Aufenthaltstitels gebeten. Einen WBS-Antrag zur Lösung seiner Wohnsituation habe ich ebenfalls ausgefüllt. Doch selbst wenn sich auf wundersame Weise eine Wohnung für ihn findet, der Elefant im Raum wird mit einziehen.

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    Update am Ende einer turbulenten Woche

    Eine turbulente Woche neigt sich dem Ende zu. Lassen wir doch mal die Geschehnisse Revue passieren! Ehe wir uns die Tage mal den deprimierenden Stoff reinziehen, geht es heute relativ harmlos zu.

    Vorab wie immer unsere Bitte: Unterstützt uns, sofern euch dies in diesen Zeiten möglich ist. Herzlichen Dank! Der Link: https://paypal.me/neukoellnhilft

    Ein Lottotreffer und kein Glück

    Zimmer/Schlafplatz in Berlin wird ab 15.10. dringend gesucht!

    Was hat er doch wie ein Honigkuchenpferd gestrahlt, als er mir die frohe Kunde mitteilte. Der junge Geflüchtete aus dem Tschad hat einen Job gefunden und zwar einen, bei dem er mit einem Gabelstapler durch eine große Fabrik eines sehr angesehenen Unternehmens vor den Toren Berlins düsen darf. Er kann es kaum erwarten, Mitte Oktober dort anzufangen. Es fühlt sich für ihn wie ein Lottotreffer an, mindestens aber wie das Ende vieler Widrigkeiten an. Der Haken an der Geschichte? Er bräuchte dafür ein WG-Zimmer oder zumindest eine Couch, idealerweise im Osten Berlins. Denn im Moment wohnt er im Südwesten Brandenburgs, ein tagtägliches Pendeln ist nicht praktikabel. Und bislang ist seine so optimistisch begonnene Suche noch glücklos geblieben. Falls ihr etwas wisst oder anzubieten hat, meldet euch bitte bei uns. Denn was ist schon ein gefühlter Lottotreffer ohne Dach über dem Kopf!

    Money for nothing (Inkassomathematik)

    In der Stimmung für ein wenig Zahlenjongliererei? Ein Geflüchteter, nennen wir ihn einen sympathischen Chaoten, war mit einem Telefonvertrag 2021 ins Straucheln gekommen. Dass er aus der Misere nicht rauskam, ist übrigens auch einem Arbeitsverbot einer berüchtigten Ausländerbehörde zu verdanken. Zu aller Erst aber natürlich seiner Verpeiltheit! Es kam, wie es kommen musste, die Chose, ursprünglich eine Forderung über knapp 460 Euro, war mit Vollstreckungsbescheid auf circa 708 Euro angewachsen. Ein berüchtigtes Inkassoanwaltsbüro tat seinen Job, eine Begleichung der Schuld in kleinen Raten wurde vereinbart. Dafür wurde noch einmal eine Teilzahlungsgebühr von knapp über 152 Euro fällig, wodurch die Gesamtschuld also auf ungefähr 860 Euro anwuchs. Und obwohl seit über einem Jahr jedes Monat per Lastschrift ein paar Euro zurückgezahlt wurden, beträgt die Restschuld (auch dank Zinsen) noch immer fast 760 Euro, also sogar über dem im Vollstreckungsbescheid genannten Betrag. Das erste Jahr der Rückzahlung stand also unter dem Motto „Money for nothing“. Besagte 760 Euro sind, so in einem dieser Tage eintrudelnden Schreiben, nun sofort in voller Höhe fällig. Der Geflüchtete ist völlig verdattert und fragt nach dem Grund. Wir trauen Inkassoanwälten zwar grundsätzlich alles zu, werden aus dem Schreiben aber auch nicht schlau. Nächste Woche schaut da eine uns bekannte Schuldenberaterin da mal drauf.

    Der Grund, weshalb wir euch dies erzählen: Es braucht endlich eine vernünftige Politik, die gangbare Wege aus Schuldenfallen ermöglicht. Wenn sich eine völlig berechtigte Ursprungsforderung von knapp 460 Euro auf die fast doppelte Höhe aufbläht, dann ist das Bockmist und verhindert einen geordneten Weg aus der Armut. Das geht so nicht weiter!

    Dem Untergang geweiht (Tesla-Edition)

    Wir verraten euch die bittere Wahrheit nur ungern: Wir werden alle sterben. Und zwar womöglich nicht hochbetagt auf ein erfülltes Leben zurückblickend, sondern vermutlich Minuten, nein, vielmehr Sekunden, nachdem Elon Musk dank Tesla, SpaceX und Starlink die Weltherrschaft erlangt hat. Woher wir das wissen? Ein Geflüchteter, der dieser Tage bei Tesla angefangen hat, war mit den Tücken des Tesla-Intranets überfordert. Einerseits bekam er ständig die Nachricht von Human Ressources seine Daten schnellstens zu überprüfen, weil er sonst den Lohn um einen Monat verspätet erhalten würde, andererseits wurde ihm trotz Nachfrage nicht erklärt, was denn genau fehlt. Und da bat er mich um Unterstützung. Und was soll ich sagen, das Tesla-Intranet war auf seinem alten iPhone nicht zu verwenden. Also haben wir uns auf meinem Smartphone eingeloggt, um etwaige fehlende Angaben nachzutragen. In puncto Useability war es eine einzige Katastrophe. Von einem Weltkonzern wie Tesla hätte ich so etwas nicht erwartet. Wer immer dies hier zusammengeschrottet hat, sollte besser nicht an den wirklich wichtigen Projekten herumprogrammieren.

    Was übrigens noch gefehlt hatte, war ein Notfallkontakt, das Religionsbekenntnis sowie die gewünschte Anrede. Jetzt steht einer pünktlichen Lohnzahlung hoffentlich nichts mehr im Wege. Außer vielleicht ein unterirdisches Inside-Tesla-Portal.

    Bye-bye Nürnberg!

    Sie sind Bruder und Schwester. Beide sind aus Nigeria und als Drittstaatler wegen des Kriegs in der Ukraine nach Deutschland gekommen.. Er hat in der Ukraine Medizin studiert, sie hat eine Krankenschwesterausbildung gemacht. Jetzt sind beide in Deutschland. Er in Berlin, wo er schon Deutschkurse absolviert und eine Arbeit gefunden hat. Eine bewundenswerte Unterstützerin hat für ihn gerade eine Ausbildung eingefädelt, welche ihm wiederum eine Bleibeperspektive bietet und – auf längere Sicht gesehen – hoffentlich die Fortsetzung des Studiums. Er ist well spoken und smart, wenngleich ihn das bürokratische Wirrwarr der vergangenen Monate doch extrem frustriert. Bei seiner Schwester sieht der Fall leider anders aus. Sie hatte das große Pech, nach Bayern verteilt zu werden. Die blutjunge Frau ist mit der Situation gänzlich überfordert. In Nürnberg gestrandet hat es bislang noch nicht mit einem Deutschkurs geklappt. Jetzt wäre es eigentlich logisch, dass sie zu ihrem Bruder nach Berlin zieht. Der hat immerhin schon eine eigene Wohnung gefunden. Wenn das mal im Jahre 2022 keine Leistung ist! Aber so einfach ist ein Transfer nach Berlin leider nicht.

    Bruder und Schwester kommen aus einer für nigerianische Verhältnisse nicht eben armen Familie aus Lagos, der größten Stadt des Landes. Das Argument vieler Drittstaatler aus der Ukraine, wonach eine Rückkehr in ihr Heimatland nicht zumutbar sei, greift hier nicht. Der deutsche Staat sollte natürlich dennoch ein großes Interesse haben, dass Bruder und Schwester Studium und Ausbildung hier fortsetzen können. Speziell im Bereich Pflege herrscht doch Personalmangel. Warum nur werden Drittstaatler aus der Ukraine noch immer nicht als Chance begriffen, sondern müssen im besten Fall den Weg über studienferne Ausbildungen gehen? Denn mit etwas Glück wird die junge Frau nun einen Wisch erhalten, wonach ihr ein Einstieg in eine Ausbildung zugesagt wird, wenn sie nach Berlin umverteilt würde. Eine Ausbildung im Dienstleistungsgewerbe wohlgemerkt. Den Traum vom Krankenschwesterdasein kann sie sich vorerst abschminken. Doch immerhin, hoffentlich heißt es bald Bye-bye Nürnberg.

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    3-mal Stirnrunzeln!

    Geht bitte weiter! Es gibt außer Sorgenfalten heute nichts zu sehen. Und die Sorgenfalten findet man derzeit ohnehin an jeder Straßenecke. Es gibt also wirklich nichts zu sehen. Falls ihr doch weiterlesen wollt, tut euch keinen Zwang an.

    Vorab wie immer die Bitte: Wenn ihr in schwierigen Zeiten Geld übrig habt, wären wir sehr dankbar. Auch wir merken die schweren Zeiten, diesen Monat hatten wir Spenden von knapp über 100 Euro zur Verfügung. Unser Spendenlink: https://paypal.me/neukoellnhilft

    Die erste Sorgenfalte widmen wir heute der Agentur für Arbeit Zossen. Ein Geflüchteter hatte einen bis 05.07.2022 befristeten, zweijährigen Arbeitsvertrag. Obwohl er eigentlich auf eine Verlängerung hoffte, meldete er sich den Vorschriften entsprechend laut Arbeitsagentur am 06.04.2022 als arbeitssuchend. Tatsächlich wurde sein Vertrag nicht verlängert. Nach knapp über einem Monat Arbeitslosigkeit hat er inzwischen wieder einen Job gefunden. Nun flatterte ihm aber ein Brief der Arbeitsagentur ins Haus. Es ging um eine Anhörung bezüglich Sperrfrist, weil er sich laut Agentur für Arbeit einen Tag zu spät arbeitssuchend gemeldet habe. Eine diesbezügliche Meldung hat nämlich spätestens 3 Monate vor dem Ende des Arbeitsvertrages zu erfolgen. Der Geflüchtete ist fest davon überzeugt, dass das Eingangsdatum seiner Meldung falsch ist, diese am 05.04. erfolgt sei. Aber Sperrfristen werden halt gerne reingewürgt, weil auf diese Weise eine Woche Arbeitslosengeld nicht ausgezahlt werden muss. Nun kann man argumentieren, dass Gesetz halt Gesetz ist. Aber wegen einem vermaledeiten Tag gerade jetzt jemanden ohne Rücklagen in eine finanzielle Schieflage zu bugsieren, ist schlicht und ergreifend Mist. Großer Mist!

    Die zweite Sorgenfalte gehört der Ausländerbehörde in Oranienburg, die der Landkreis Oberhavel euphemistisch Servicepunkt Migration nennt. Ein Geflüchteter, in seiner Heimat Lehrer gewesen, lebt seit 5 Jahren in Deutschland. Er hat nur eine Duldung, das bedeutet, dass Beschäftigung höchstens mit Genehmigung der Ausländerbehörde gestattet ist. Geflüchtete müssen erst einen Arbeitgeber finden, der ein verbindliches Arbeitsangebot zur Vorlage bei der Ausländerbehörde abgibt und zudem bereit ist, darauf zu warten, bis die Ausländerbehörde grünes Licht gibt. Falls sie es denn tut. Nun schien es, als habe der Geflüchte nach zahlreichen Anläufen endlich Glück. Das Vorstellungsgespräch bei einer Zeitarbeitsfirma lief gut. So gut sogar, dass die Zeitarbeitsfirma versprach, alles mit der Ausländerbehörde zu klären. Im August machte sich der Geflüchtete nach Baden-Württemberg auf, um dort als Lagerhelfer zu arbeiten. Vor einigen Tagen kam er zurück nach Brandenburg, um seine Duldung verlängern zu lassen. Und er staunte nicht schlecht. Bei der Ausländerbehörde wusste man angeblich nichts von seiner Arbeitsaufnahme und schrieb gleich ein Beschäftigungsverbot in die Duldung rein, man drohte ihm mit weiteren Konsequenzen. Jetzt ist er fassungslos und hilflos und ein Häufchen Elend. Weshalb er das Geld von der Arbeit gut gebrauchen könnte? Beispielsweise um seinen Anwalt zu bezahlen, der von ihm noch über 700 Euro einfordert. Übrigens, der Anwalt wurde vor langer Zeit schon gebeten, mit der Ausländerbehörde in Kontakt zu treten, um einer Zustimmung zur Arbeitsaufnahme den Weg zu ebnen. Damals hat er keinen Finger gerührt. Bezahlt werden will er trotzdem. Von welchem Geld?

    Die dritte Sorgenfalte ist höherer Gewalt geschuldet. Der schon mehrfach erwähnte Umzug der leidgeprüften Mutter mit Kind von Niedersachsen nach Berlin geht uns auch an die Nieren. Was eigentlich gut eingefädelt war, entpuppte sich auch durch höhere Gewalt nun als Show der Pleiten, Pech und Pannen. Ein Treppensturz der Mutter hat eine fristgerechte Übergabe der alten Wohnung verhindert. Eine schmerzhafte Entzündung mit mehren Arztbesuchen tat ihr Übriges. Die Vermieterin der alten Bruchbude zeigte sich völlig unkooperativ und überhäuft sie mit Nachforderungen. Das abgebende Jobcenter reagiert auf Ansuchen sehr träge. Vom neuen Jobcenter hier in Berlin ist auch noch kein Geld geflossen. Wir kommen aus dem Fluchen nicht raus. Diese Woche steht nun die finale Schlüsselübergabe an, mit weiteren Eskalationen ist zu rechnen. Der einzige Lichtblick ist, dass sich das Kind gut in die neue Schule eingewöhnt hat und Lernfortschritte macht. Wenigstens unter diesem Aspekt hat sich der Umzug gelohnt. Sobald auch die Mutter nach vorne schauen kann, wollen wir sie ans Familienzentrum Balance anbinden. Es wird Zeit, dass es aufwärts geht!

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    Jobcenterallüren und ein Hindernis beim Aufenthaltstitel

    Es ist mal wieder an der Zeit, euch ein Update zu geben, was uns derzeit so umtreibt. So optimistisch, wie wir hoffentlich sonst tönen, wird es diesmal leider nicht. Umso mehr würden wir uns freuen, wenn ihr euch ein paar Minuten Zeit für das Lesen dieser Zeilen nehmt.

    Vorab wie immer aber die große Bitte: Falls ihr trotz aller Widrigkeiten den einen oder anderen Euro übrig habt, dann wären wir für die bitter benötigte Unterstützung sehr dankbar: PayPal.Me/neukoellnhilft

    Beginnen wir den Bericht doch mit ein Jobcenterallüren. Ein Geflüchteter ist dem Leistungsbezug vor ein paar Monaten entflohen. So glaubte er zumindest. Doch der Papierkrieg hört nicht auf. Zum einen, weil das Jobcenter eine Überzahlung festgestellt hat und diese zurückfordert. Die Überzahlung ist auch unbestritten. Ebenfalls klar wie Kloßbrühe ist, dass ihm für einen anderen Monat zustehende Leistungen vorenthalten wurden. Was nach einem Nullsummenspiel klingt, ist längst eine Farce. Denn während das Jobcenter zur Prüfung des Anspruchs bereits eingereichte Belege (Kontoauszüge, Lohnzettel) nochmals haben möchte und die Angelegenheit damit künstlich in die Länge zieht, hat es andererseits das Inkasso-Service der Arbeitsagentur flugs mit der Eintreibung des überzahlten Betrags beauftragt. Auf ein Ratenzahlungsansuchen, das eigentlich nur dazu diente, Zeit bis zur Klärung zu gewinnen, kam als Replik vom Inkasso ein langer Fragebogen über die wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Aufforderung Gehaltszettel der vergangenen Monate beizubringen. Aber pronto, weil sonst die Zwangsvollstreckung eingeleitet wird. Eine Eskalation ohne Not!

    Besagtes Berliner Jobcenter ist uns mit seiner Verzögerungstaktik bereits bestens bekannt. Ein anderes Schicksal, welches ich begleite, hatte im Frühjahr eine schlimme Zuspitzung erlebt. Hier werkt schon längst ein Anwalt, der Fall wird gerichtlich geklärt werden müssen. Was ist geschehen? Eine junge Frau musste ihr WG-Zimmer Hals über Kopf verlassen, weil sie vom Hauptmieter belästigt wurde. Sie teilte dem zuständigen Jobcenter mit, dass sie deshalb auf Wohnungssuche sei. Über den Bekannten eines Freundes wurde sie auch fündig. Da alles ganz schnell gehen musste, unterschrieb sie gleich den Untermietvertrag. Das war dem neuen „bösen“ Jobcenter ein Dorn im Auge, weil das Wohnungsangebot nicht zuvor zur Genehmigung vorgelegt wurde. Was dann begann, entwickelte sich zum Albtraum für die junge Frau. Über Monate gab es keinen Cent vom aufnehmenden Jobcenter. Weder für die anfallende Miete, noch zur Lebenssicherung. Bescheiden wurde – auch mit geballter juristischer Kompetenz – widersprochen, ohne Resultat. Das ging über fünf Monate so. Der Bekannte der jungen Frau ließ sie trotz enormer Mietschulden weiter wohnen, weil auch er davon ausging, dass das Jobcenter weiter zahlen würde. Doch das Jobcenter schaltete auf stur. Und das führte letztlich dazu, dass die junge Frau einen Nervenzusammenbruch erlitt und viele Wochen in einer Berliner Klinik stationär versorgt werden musste. Da sie wegen dem Hin und Her mit dem Jobcenter nicht krankenversichert war, liefen auch hier Kosten von weit über 10000 Euro auf. Da sogar der Sozialdienst des Krankenhauses auf Granit biss, habe ich dann einen Anwalt aufgetrieben. Was sich als fast ein Jahr dauernde Horrorstory erwiesen hat, scheint nun allmählich überwunden. Dieser Tage hat die junge Frau ihre Immatrikulationsbescheinigung erhalten, BAföG ist bereits beantragt, kurzum die Zuversicht ist zurück. Apropos Zuversicht, der Anwalt ist sich sehr sicher, dass das Jobcenter vor Gericht sein blaues Wunder erleben wird.

    Ein Fall lässt mich im Moment ein wenig ratlos zurück. Ein bestens integrierter Geflüchteter, der seit bald 7 Jahren in einem Berliner Handwerksbetrieb arbeitet, dort auch seine Ausbildung gemacht hat, hat folgendes Problem: Er hatte von der Ausländerbehörde eine Ausbildungsduldung erhalten und endlich nach all der Zeit wird ihm nun ein Aufenthaltstitel in Aussicht gestellt. Das klingt toll, hat aber einen Haken. Er wohnt in einer Projekt-WG in Berlin, verfügt aber der Zuständigkeit wegen über eine Postadresse im Landkreis Havelland. Der Ausländerbehörde genügt die Adresse freilich nicht, er soll einen Mietvertrag vorlegen. Das ist jedoch bei der Postadresse nicht möglich. Eine Anmeldung in Berlin würde wiederum die Ausländerbehörde nicht akzeptieren. Wie also kommt er an eine temporäre Anmeldung samt kurzfristigem Mietvertrag irgendwo im Havelland, um damit den Anforderungen der Ausländerbehörde zu genügen? Es geht nicht darum, zu irgendeinem Zeitpunkt wirklich dort zu wohnen. Ich habe bereits herumgefragt, bislang leider ohne Erfolg. Falls jemand der Mitlesenden einen Impuls hat, bitte gerne an uns wenden!

    Zu guter Letzt haben wir mal etwas zu vergeben: Einer unserer tschadischen Freunde fährt demnächst nach Afrika und bietet seine Köpenicker Wohnung vom 28.9 bis 2.11.2022 zur Zwischenmiete an. Hier die Fakten: 1-Zimmerwohnung samt Bad und Terrasse, 46 qm, 536€ warm, Strom+ Internet inklusive. Meldet euch bei Interesse gerne bei uns. Wir stellen den Kontakt dann her.

    Das soll es für heute gewesen sein. Ich versuche, euch jetzt wieder regelmäßiger Updates von dem alltäglichen Wahnsinn, mit dem wir so konfrontiert werden, zu geben.

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    Back im Business – Mobilfunkmiseren

    Danke für all die Genesungswünsche. Bei mir geht die Quarantäne zu Ende, danke an Brigitte, dass sie hier und auf Twitter die Stellung gehalten hat. Kaum dass ich mich auskuriert habe, warten schon genug neue Probleme – kleine wie große – darauf, in Angriff genommen zu werden. Heute gebe ich Einblick in den Ärger, den Mobilfunkfirmen so verursachen.

    Doch vorab bitte ich euch einmal mehr um Support. Jeder Euro zählt, um Geflüchteten unter die Arme greifen zu können: https://paypal.me/neukoellnhilft. Etwa mit 9-Euro-Tickets, beim Begleichen von Raten oder schlicht als Beitrag zum Lebensunterhalt. Vielen Dank für eure bisherige Unterstützung!

    Ein paar erklärende Worte vorweg: Viele der Sorgen, die dieser Tage an mich herangetragen werden, scheinen auf den ersten Blick harmlos, wenn man sie in Relation zu den dramatischen Notlagen der Vergangenheit setzt. Die Angst vor einer quasi täglich drohenden Abschiebung ist nicht mit jener vor (nicht selten ungerechtfertigten) Mahnungen oder Inkassoschreiben zu vergleichen. Frustration und Desillusionierung verursachen letztere trotzdem. Und zwar in nicht zu unterschätzendem Maße.

    otelo ist böse

    Fassen wir die Lage doch mal kopfschüttelnd zusammen. Ein Geflüchteter hatte sich Ende Februar 2022 in einem Shop in der Karl-Marx-Straße einen SIM-Vertrag aufschwatzen lassen. Da zwischen den Versprechungen des Händlers und dem Kleingedruckten des Vertrags dann doch Welten klafften, habe ich dem Geflüchteten eine Reklamation samt Widerruf formuliert. Dieser wurde an otelo, einer Tochterfirma von Vodafone, geschickt und ging am 22.03.2022 auch bei otelo ein. Anfang April kam vom otelo-Kundenservice die Rückmeldung, dass für ein Storno einzig der Händler zuständig sei. Das Schreiben interpretierte der Geflüchtete freilich falsch, zahlte die monatliche Grundgebühr nicht weiter und wandte sich erst wieder im Juni an mich, als inzwischen auch ein Inkassoschreiben von über 540 Euro eingetrudelt war. Da eine erneute Reklamation vorerst unbeantwortet blieb, ging ich mit dem Geflüchteten zum Verbraucherschutz, wo ein nochmaliges Schreiben wegen einer unberechtigten Forderung aufgesetzt wurde. otelo zeigte sich auch davon unbeeindruckt und schreibt: „Wir beharren daher auf unsere Forderung und werden weitere Reklamation Ihrerseits final ablehnen.“.

    Der Geflüchtete ist also für einen Monat Internetnutzung jetzt 540 Euro in den Miesen. Rechtlich ist da vermutlich ohne großen Aufwand wenig zu machen. Kulanzlösungen, wie ich sie in der Vergangenheit etwa bei o2 erlebt habe, sind allem Anschein nach nicht drin. Die Lehre daraus: otelo ist absolut nicht empfehlenswert. Die Kommunikation mit dem Kundenservice ist vertane Zeit. otelo nimmt die Beschwerde bezüglich irreführender Aussagen eines otelo-Produkte vertreibenden Mobilfunkshops nicht ernst. Kurzum, otelo ist böse.

    Die Geschäftsgeheimnisse von Consors Finanz

    Jeder Mensch hat so seine Wünsche. Ein uns nahestehender Geflüchteter wollte sich dieser Tage über die Webseite eines Smartphone-Giganten ein brandneues Telefon gönnen und dieses in Monatsraten bezahlen. Er kann es sich leisten. Er hat mehrjährigen Aufenthalt, einen nicht so schlecht bezahlten Job und eine tadellose SCHUFA. Nun wickelt der Finanzdienstleister Consors Finanz die Ratenzahlungen für die Firma ab. Unser Freund klickte sich durch den Kaufprozess, nur um danach sofort eine Ablehnungsmail von Consors Finanz zu erhalten. Ein wenig irritiert zeigte er mir die Mail, ich half ihm bei der Formulierung einer Mail, in der nach den Gründen für die Ablehnung gefragt wurde. Zwei Wochen später erhielt er eine aus meiner Sicht doch eher freche Antwort. Die für die Ablehnung erheblichen Information unterlägen dem Geschäftsgeheimnis. Sein Auskunftswunsch erstrecke sich nicht auf Informationen, die dem Geschäftsgeheimnis unterlägen. Die Entscheidung des Hauses hätte dabei keine Aussagekraft über die Bonität des Geflüchteten oder zukünftige Entscheidungen anderer Kreditinstitute.

    Wir meinen, dass es dringend besserer Gesetze bedarf, die solch Firmen wie Consors Finanz zu mehr Transprarenz und Rechenschaft zwingen. Wir würden fast darauf wetten, dass es bei einem Herrn Meier oder einer Frau Schulz bei ähnlichem Einkommen und ähnlicher SCHUFA mit der Ratenzahlung geklappt hätte. Der Geflüchtete, der sich mit großem Fleiß hier etwas aufbauen will, war jedenfalls ziemlich desillusioniert.

    Ins Stottern kommendes Abstottern

    Machen wir uns nichts vor. Angesichts der Inflation wird auch denen mulmig, die sich nicht als von Armut direkt betroffen verstehen. Alles wird teurer, während Sozialleistungen und Löhne nicht im gleichen Maße steigen. Wer vor sechs Monaten schon wenig hatte, hat nun noch viel weniger. Punkt. Natürlich sind auch Rückzahlungsvereinbarungen davon betroffen. Wer schon vor der Krise Schulden, ob nun selbstverschuldet oder doof hineingeschlittert, nur in Raten abstottern konnte, rauft sich mittlerweile noch mehr die Haare, wie man das Geld für Ratenzahlungen auftreiben soll. Das interessiert natürlich Inkassofirmen und RechtsanwältInnen einen Dreck. Statt der Krise Rechnung zu tragen und Zahlungsmoral zu würdigen, wird bei jeder verspäteten Zahlung gleich die große Keule ausgepackt. Beispielsweise von einer Rechtsanwaltskanzlei, die Forderungen von mobilcom-debitel eintreibt.

    Der Geflüchtete, der dieses Schreiben erhalten hat, hatte 2021 nach langem Warten endlich eine Arbeitserlaubnis bekommen und Anfang 2022 Arbeit in der Lebensmittelproduktion gefunden. Damit einher ging auch der Wunsch, vergangene Fehler – wie es der Mobilfunkvertrag war – endlich zu begleichen und die offenen Forderungen zu begleichen. Das ging solang gut, bis ihm eine extrem dubiose Forderung der Kreiskasse des zuständigen Brandenburgischen Landkreises zum Verhängnis wurde. Da wurde schwupps eine Pfändung auf sein Konto durchgesetzt, dadurch kam er mit der Rückzahlung der Forderung von mobilcom-debitel in Verzug. Zu allem Überdruss noch teilte ihm sein Arbeitgeber Anfang Juli mit, dass sein befristeter Vertrag nicht verlängert würde. Mit Anfang August hat er nun eine neue Arbeit gefunden, doch bis er wieder einigermaßen liquide ist, wird es natürlich dauern. Währenddessen steigen die Forderungen von mobilcom-debitel weiter an, während die Hoffnung auf eine geregelte Existenz kräftig schwindet.