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    Back im Business (Noch oller! Noch doller”)

    Es gibt viele Dinge, über die sich dieser Tage stöhnen lässt. Die Hitze, die Inflation und – stets passend – die FDP. Uns kommen derzeit auch vermehrt Seufzer über die Lippen. Zum Beispiel wegen der drei Geschichten, die wir euch heute näherbringen wollen.

    Vorab wie immer: Danke für euren Support! Wir nehmen nichts als gegeben hin, gerade in Zeiten wie diesen. Jeder Cent hilft uns weiter: https://paypal.me/neukoellnhilft

    Gesprächsbedarf im Flüchtlingsheim

    Ein Geflüchteter mit Schwerbehinderung wird derzeit in seiner Unterkunft des Lebens nicht mehr froh. Vor geraumer Zeit schon wurde in sein Zimmer eingebrochen, der Türrahmen schwer beschädigt und auch die Verschließbarkeit war laut dem Geflüchteten nicht mehr gegeben. Seit einigen Wochen häufen sich nun die Vorfälle. Mittlerweile sind schon 3 Einbrüche gezählt, dazu wurden ihm im Heim bei anderer Gelegenheit seine Schlüssel aus der Tasche gemopst. Zumindest eine polizeiliche Anzeige hat es gegeben. Die Tür ist aber immer noch nicht repariert. Anfang Juli habe ich mich mal an die Heimleitung gewendet und eine freundliche, doch zugleich überraschende Rückmeldung bekommen. Man sehe großen Gesprächsbedarf. Man schließe nicht aus, dass zumindest der dritte Einbruch selbst verschuldet sei und könne auch die Anschuldigungen des Geflüchteten gegenüber seines Zimmernachbarn, mit welchem lange gutes Einvernehmen bestanden hatte, nicht nachvollziehen.

    Nun habe ich großen Respekt vor Heimleitungen von Geflüchtetenunterkünften. Die unterschiedlichen Bedürfnisse und Lebensumstände von Menschen im Blick zu haben und für ein gutes Miteinander zu sorgen, ist wirklich nicht leicht. Und natürlich will ich keinesfalls besserwisserisch auftreten und der Heimleitung erklären, wie sie ihren Job zu erledigen hat. Zugleich möchte ich – sofern möglich – einen Beitrag leisten, dass sich die Lebensbedingungen des Geflüchteten ein bisschen verbessern. Zudem kommt mir die Argumentation doch ein wenig seltsam vor. Gerade einem Sehbehinderten traue ich nicht zu, einen Einbruch fingiert zu haben, in dem er selbst von innen die Schrauben des Türschlosses entfernt hat. Wenn ich dem Geflüchteten in der Vergangenheit dabei zugesehen habe, wie er mit einer Lupe seine Nachrichten am Smartphone zu entziffern versucht, brauche ich kein Sherlock zu sein, um dem Verdacht der Heimleitung wenig Glauben zu schenken. Ich werde mich dieser Tage also mal nach Brandenburg begeben und in einem persönlichen Gespräch um eine Lösung bitten.

    Kostspieliger Flirt

    Lasst uns mal über Einsamkeit reden. Wer keinen Partner oder keine Partnerin hat, von den Mühlen langer und oft aussichtsloser Asylverfahren zu relativer Untätigkeit verdammt ist, gerade in der Provinz oft ohne jeden Support ist, fühlt sich zwangsläufig einsam. Diese Einsamkeit zu überwinden, ist nicht eben einfach. Der Familie in der Heimat kann man die Nöte, die Mühlen der Bürokratie und die damit verbunden tristen Aussichten, nicht leicht vermitteln. Landsleuten hier in Deutschland mag man vielleicht aus Gründen der Gesichtswahrung auch nicht immer sein Herz ausschütten. Da liegt es doch nahe, ein wenig Ablenkung zu suchen. Zum Beispiel auf Flirtportalen.

    Ein geflüchteter Freund ist vor einigen Tagen auf mich zugekommen und hat mir entsetzt Folgendes berichtet. Er habe per Mail ein Schreiben einer Inkassofirma erhalten. Er könne sich all das nicht erklären. Ich schaute mir die Mail an. Allem Anschein nach hat er auf einem dubiosen Flirtportal eine Mitgliedschaft über 24 Monate abgeschlossen und sollte nun fast 500 Euro dafür zahlen. Als ich ihm all das erklärte, dämmerte ihm, dass er tatsächlich im April mal von Frühlingsgefühlen überwältigt auf einer Flirtseite registriert hatte. Von einem Abo wusste er aber nichts. Während ich schon vor dem geistigen Auge an einer Antwort tippte, um die Forderung abzuwehren, fiel mir plötzlich auf, dass der Name auf der Forderung ja nicht der echte Name des Geflüchteten war. Ja, antwortete er mir mit entwaffnender Logik, er habe einen Spitznamen (er meinte Benutzernamen) verwendet, dass mache man doch im Internet überall so. Nun freilich stellt sich mir die Frage, ob man diese ohnehin windige Forderung nicht getrost ignorieren kann. Der Geflüchtete hatte zwar seine richtige Adresse angegeben, diese ist aber in einer Gemeinschaftsunterkunft. Wie wahrscheinlich ist es, dass dieses Inkassounternehmen tatsächlich ihn als die Person ausmacht, die dieses kostspielige Flirtabo vermeintlich abgeschlossen hat? Habt ihr da Erfahrungswerte?

    Der ewige Jammer um die Kaution

    Es gibt wenig Gewissheiten auf der Welt. Eine davon ist, dass es beim Auszug aus einer Mietwohnung in aller Regel zu Ärger mit der Kaution kommt. Vermieter und Vermieterinnen finden ein Haar in der Suppe, wenn sie es finden wollen. Natürlich bleiben Geflüchtete von solch Ärger nicht verschont. Was sich eine kommunale Wohnbaugesellschaft in Brandenburg beim Auszug einer alleinerziehenden Geflüchteten erlaubt hat, ist schon einigermaßen dreist. Eine bei Einzug der Frau laut Übergabeprotokoll explizit nicht renovierte Wohnung wurde nach deren Auszug auf ihre Kosten aufgemotzt. Der Boden wurde versiegelt, die Wohnung neu gestrichen. In Bad und Küche wurde einiges neu gemacht, zum Beispiel die Spüle demontiert und entsorgt. So wurde nicht nur die gesamte Kaution einbehalten, es stehen noch zusätzliche Forderungen über fast 400 Euro im Raum. In nicht einmal drei Jahren soll die Wohnung ordentlich in Mitleidenschaft gezogen worden sein. Schauen wir uns doch mal an, was da so entrümpelt wurde: „WZ-Tür (Duft) entf. / Küchenspüle / WC-Sitz / Toilettenpapier-Deckel / Aufkleber BZ / Badlampe“.

    Womöglich ist es ja nur meine Wahrnehmung, aber ich finde, dass hier die vermietende Wohnbaugesellschaft, die Alleinerziehende als willkommenes Opfer gefunden hat, um die Wohnung ein wenig schick zu machen. Eine Wohnung übrigens, die beim Einzug der Geflüchteten alles andere als picobello war. Ich finde so ein Vorgehen einer kommunalen Wohnbaugesellschaft einigermaßen frech. Es steht außer Frage, dass sich die Geflüchtete da mit anwaltlicher Hilfe wehren muss und ich sie dabei unterstützen möchte. Ich habe in Berlin schon mehrere MietrechtsexpertInnen angefragt, aber alle sind derzeit überlastet oder im Urlaub. Falls ihr noch diesbezügliche Tipps habt, immer her damit!

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    Back im Business!

    Wir sind wieder da! Der männliche Part von Neukölln hilft ist zwar nicht sonnengebräunt und gut erholt, aber immerhin genesen. Wir haben zwar das Social-Media-Game zurückgefahren, waren aber natürlich trotzdem nicht untätig. Und deshalb gibt es in den nächsten Tagen eine geballte Ladung Einblicke in unser Tun.

    Zuvor wollen wir uns aber einmal mehr für eure Unterstützung bedanken! Ohne euch wäre die Finanzierung von 9-Euro-Tickets nicht möglich, ohne euch könnten wir nicht eben die eine oder andere Rechnung übernehmen. Herzlichen, herzlichen Dank für euren Support! Falls ihr noch den einen oder anderen Cent übrig habt, er wäre in schwierigen Zeiten sehr willkommen: https://paypal.me/neukoellnhilft

    Hilferuf aus der JVA

    Es hat eine gewisse Tradition, dass sich Teile der tschadischen Community Freitag nachmittags in einem Café in Kreuzberg treffen. Auch ich schaue ab und an vorbei und traf gerade in den vergangenen Wochen auf lang vermisste oder gar unbekannte Gesichter. Das 9-Euro-Ticket macht es möglich, dass auch jene kommen, die sonst jeden Cent umdrehen müssen und in der Pampa Brandenburgs zumindest innerlich verrecken. Kaum hatte ich an dem sonnigen Junitag Platz genommen und an meinem Cappuccino genippt, stürzte geradezu atemlos ein geflüchteter Freund rein. Ein gemeinsamer Bekannter säße in einer JVA in Brandenburg fest und könne gegen eine Summe von knapp über 100 Euro ausgelöst werden. Mehr Infos gäbe es nicht. Das Geld hatte die tschadische Community schon beisammen. Ein paar Telefonate später zwar zumindest mal die betreffende Justizvollzugsanstalt eruiert und ein Plan für den kommenden Tag geschmiedet. Mein Freund würde sich in die Weiten Brandenburgs begeben und hoffentlich in Begleitung des vermeintlichen Deliquenten heimkehren. Was ganz easy klang, hielt mich dann doch Samstag vormittags ordentlich auf Trab. Denn derjenige, der zur Abholung auserkoren war, tat gerade so, als würde er den Gang ins Verderben antreten, obwohl er das Unschuldslamm in Person ist und natürlich nichts zu befürchten hat. Da musste ich ihn telefonisch aufmuntern und auch während seiner Interaktion an der Pforte der JVA mithören. Kurz und gut, der Bekannte wurde ausgelöst und seitdem versuche ich fieberhaft ihm bei der Bewältigung der Probleme zu helfen. Und derer hat er viele.

    Man stelle sich den Mann als charismatischen, wortgewaltigen Charakter vor. Aufmüpfigkeit scheint sein zweiter Vorname. Da seine Lage freilich einigermaßen trist ist, sprach er in letzter Zeit vermehrt dem Alkohol zu und wurde eigenbrötlerisch. Diesen Umständen ist es überhaupt erst zuzuschreiben, dass er über einen Monat in der JVA einsaß, ohne dass seine Landsleute sich Sorgen über den Verbleib machten. Laut eigenen Angaben sei er bei einer Routinekontrolle aufgegriffen und verhaftet worden, hätte in der JVA über Wochen nicht telefonieren dürfen. Dass er überhaupt einkassiert wurde, ist auf einen Strafbefehl aus 2020 zurückzuführen, in dem es allem Anschein nach um eine Handgemenge mit einem Ladeninhaber ging, der ihn aus Sicht des Tschaders völlig zu Unrecht des Diebstahls beschuldigte. Da der Tschader Briefe von Ämtern und Gerichten prinzipiell ungeöffnet ließ, kam es, wie es kommen musste. Einen smarten und auch einnehmenden Menschen derart vor die Hunde gehen zu sehen, hat mich doch einigermaßen getroffen. Und darum versuche ich gerade, sein Leben in geordnete Bahnen zu hieven. Indem ich ihn davon überzeugen konnte, dass sich AnwältInnen nicht konspirativ mit Staatsorganen gegen ihn verschwören. Auch Briefe der Paigo, die das Inkasso für die Deutsche Bahn macht, sollte man nicht ignorieren. Also tippe ich mir gerade die Finger wund, um weiteres Ungemach zu verhindern. Dazu versuche ich, ihm Perspektiven aufzuzeigen. Das von der zuständigen Ausländerbehörde ausgesprochene Arbeitsverbot zu bekämpfen, eine Beschäftigung zu finden, dazu noch Hilfe beim Alkoholentzug zu finden, all das ist nur dann realistisch, wenn der Geflüchtete die Desillusionierung überwindet. Die diesbezügliche Überzeugungsarbeit ist ein Knochenjob…

    Nur das Beste fürs Kind

    Doch zurück zu besagtem Freitag in Kreuzberg. Kaum war die Auslösung aus der JVA ausgeheckt, kam ein anderer Geflüchteter auf mich zu und bat um ein vertrauliches Gespräch. Den jungen Mann Anfang 20 hatte ich wohl zwei Jahre nicht gesehen. Mein letzter Kenntnisstand war, dass er den Schulabschluss nachholte und danach eine Ausbildung in seinem Traumjob Lokführer machen wollte. Doch Mensch, das war Schnee von gestern! Den Schulabschluss hatte er leider nicht geschafft, sämtliche Pläne frustriert hingeworfen und stattdessen dann immer ein paar Monate in diversen prekären Lagerjobs gearbeitet. Daneben hatte er noch ein Kind gezeugt, doch hatte die Mutter zunächst seine Vaterschaft bestritten. Er musste diese erst mittels Vaterschaftstest belegen und darum kämpfen, sein Kind sehen zu dürfen. Doch nun war er völlig geknickt. Die Mutter des Kindes musste aufgrund psychischer Probleme in die Psychiatrie, das Jugendamt brachte das Kind in eine Pflegefamilie. Es wurde entschieden, dass auch er das Kind für sechs Monate nicht sehen dürfe. Sein Anwältin sieht derzeit keine Möglichkeit dagegen vorzugehen. Er war am Boden zerstört, zeigte mir die ganze Zeit Fotos des Kindes und betonte, wie sehr er es vermisse. Doch zugleich zeigte er sich kämpferisch. Er habe jetzt einen neuen Job und verspreche sich viel davon, zudem mache er gerade den Führerschein. Er fragte mich, ob ich ihn nicht dabei unterstützen könne, doch noch einen Ausbildungsplatz zu finden. Er wolle was aus seinem Leben machen, um seinem Kind Möglichkeiten geben zu können, so der Tenor.

    Vor wenigen Tagen kam es zu einem erneuten Treffen. In noch gedrückterer Atmosphäre. Denn der neue Job, von dem er sich Stabilität versprochen hatte, war futsch. Er war innerhalb der Probezeit gekündigt worden. Ohne Angabe von Gründen. Und auch von der Führerschein-Front gab es schlechte Nachrichten. Den Theorieteil habe er bestanden, aber er sei schon mehrfach durch den Praxisteil gefallen. Der Prüfer möge ihn nicht, meinte er. Und tatsächlich kenne ich es eigentlich nur umgekehrt, dass der Theorieteil zur unüberwindbaren Hürde wird. Sein Kind vermisse er auch wie verrückt, betonte er um Fassung ringend. Gerade in jener Zeit, in der das Kind seine Umgebung wahrnimmt, die Bindung zu seiner Umwelt aufbaut, darf er nicht einmal telefonischen Kontakt mit ihm haben. Solche Gespräche lassen mich immer ratlos zurück. Hoffnung zu vermitteln und dabei zugleich realistisch zu bleiben, ist immer ein Spagat. Wir schauen jetzt mal, was sich an der Aus- bzw. Weiterbildungsfront ergibt.

    Verpfuschte Jahre

    Wir sind noch immer in einem Kreuzberger Café, es ist noch immer ein sonniger Nachmittag im Juni. Doch sollte es das mit dem Drama noch nicht gewesen sein. Ich wollte eigentlich schon aufbrechen, als ein Geflüchteter, den ich nur vom Sehen aus kannte, zu mir trat und mich ein paar Minuten meiner Zeit bat. Es wurden mehr. Er sei bereits 8 Jahre in Deutschland, lebe in der Pampa Brandenburgs und habe noch immer nur eine beschissene Duldung. Er dürfe nicht arbeiten, dürfe keinen Integrationskurs machen. Kurzum, er dürfe nichts. Er habe vor ein paar Jahren ein paar Wochen im Knast gesessen, weil er eine Flasche Wodka gestohlen habe. Seitdem habe er sich nichts mehr zuschulden kommen lassen. Er werde alt, während er einfach nur warte. Und warte. Er halte das nicht mehr lange aus. Nein, er habe keinen Anwalt. Oder doch irgendwie schon. Er habe eine Anwältin, aber er habe sie noch nie gesehen und wisse auch nicht genau, was sie mache. Er wisse nicht, wie sich die Situation verbessern ließe. Alles sei verzwickt. Man kann sich ausmalen, dass solch ein Hilferuf natürlich den Impuls weckt, etwas zu unternehmen. Allerdings lässt sich mit der Schilderung eines sehr angeschlagenen Gemütszustandes wenig Handfestes anfangen. Ich versprach mit der Anwältin Kontakt aufzunehmen und hatte als einzigen Trost anzubieten, dass er mir seinen Papierkram zukommen lassen sollte, damit ich mal ausloten könne, wie verfahren seine Lage sei. Seine Miene erhellte sich dabei leider nicht. Auch ich verließ das Café einigermaßen nachdenklich.

    In der Zwischenzeit habe ich mir einen Überblick über die Situation des Mannes machen können. Nicht zuletzt wegen einer kooperativen Anwältin, die auf Anfrage klarstellte, dass sie den Geflüchteten lediglich wegen der Kürzung seiner Leistungen nach AsylbLG vertreten hatte und sonst nichts mit ihm am Hut habe. Der Knackpunkt ist in seinem Falle die fehlende Mitwirkung bei der Passbeschaffung. Doch hat er Angst der Ausländerbehörde einen Pass vorzulegen, weil er in diesem Fall eine Abschiebung befürchtet. Dazu kommt, dass er weder jemals eine Geburtsurkunde noch einen Pass besessen hat. Im Grunde steht er sich selbst im Weg. Denn der angekündigte Chancen-Aufenthalt wird sicher auch eine Mitwirkungsklausel bei der Feststellung der Identität haben. Solang er also nicht versucht, zumindest an eine Geburtsurkunde zu kommen, solang wird sich an seiner Situation vermutlich nichts ändern. Das hat ihm auch ein Anwalt meines Vertrauens, mit dem wir mittlerweile gesprochen habe, so klar mitgeteilt. Er überlegt nun – und wartet ab. Leider!

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    Mama und Kind brauchen Hilfe (Archäologie-Edition)

    Liebe Leute,

    unsere Arbeit erinnert uns manchmal auch an archäologische Grabungen. Und kaum kümmern wir uns um das, was man freigelegt hat, kommt ein Regenschauer und schwemmt etwas Neues zum Vorschein. Und das ist leider nicht immer erfreulich.

    Archäologe ist natürlich ein toller Beruf. Vor allem für die, die als Jugendliche Agatha Christie verschlungen haben. Neugier und Forscherehrgeiz sind natürlich auch in der Flüchtlingshilfe unabdinglich. Es kommen Hilfesuchende mit ein, zwei oder drei Problemen zu uns. Sobald wir dann schon vier oder fünf der Probleme gelöst haben, tauchen Artefakte aus einer Zeit auf, in der sich niemand um nichts gekümmert hat. Aus einer Zeit, als die Betroffenen verdrängten oder kopflos agierten. So gab es nach der großen Flucht der Mutter nach Deutschland noch eine zweite Flucht vor häuslicher Gewalt von Sachsen nach Niedersachsen. Stromanschluss oder Kabelanschluss liefen an der alten Adresse auf den Namen der Mutter weiter, nur ein Teil der Briefe kam da an, wo er ankommen sollte. Eigentlich dachten wir, wir hätten ganz gut aufgeräumt. Blöd nur, dass jetzt eine Pfändung auf dem Konto liegt! Das hatten wir so dann doch nicht kommen sehen. Kurzum, wir müssen aus der Ferne jetzt helfen, ein P-Konto (P steht für Pfändungsschutz) einzurichten. Und da das Konto derzeit noch eingefroren ist, werden wir bis zur Klärung mit Einkaufsgutscheinen aushelfen.

    Klar werden wir da noch etwas mit Ratenzahlung zu vereinbaren versuchen. Und prinzipiell sind wir ja auf einem guten Weg, einige Altlasten sind bereits abgetragen und trotz gestiegener Lebenshaltungskosten kommen Mutter und Kind mit ein wenig Unterstützung ganz gut über die Runden. Wenn aber einer ursprünglicher Ausstand von um die 250 Euro sich über die Zeit aufs Doppelte aufgebläht hat, dann müssen auch wir schlucken.

    Wir würden uns freuen, wenn es uns mit eurer Hilfe möglich wäre, Mutter und Kind unter die Arme zu greifen und von dieser Altlast zu befreien. Denn natürlich ist auch ein Pfändungsschutz keine Dauerlösung. Eine Schuldnerberaterin, mit der wir immer wieder mal plaudern, meinte erst letztens ein wenig salopp, dass es sich mit Schulden ganz gut leben lässt, wenn man die Nerven dazu hat. Für Mutter und Kind, die gerade jetzt Stabilität brauchen, sind solch briefliche Hiobsbotschaften natürlich Gift.

    Falls ihr Mutter und Kind helfen wollt, dann tut das bitte unter diesem Link: PayPal.Me/neukoellnhilft

    Vielen Dank fürs Lesen dieser Zeilen. Und ja, wir würden uns auch wünschen, bei unserer archäologischen Arbeit auch mal die ganz großen finanziellen Schätze auszubuddeln. Möge der Tag mal kommen!

  • Neues,  Neukölln,  Support

    Weihnachten jetzt!

    Alle Jahre wieder ist es die Weihnachtszeit, die Menschen das Herz wärmt und in Spendenlaune bringt. Die Sommerzeit dagegen ist traditionell eine Art Gegenpol dazu, in dem man sich eine wohlverdiente Auszeit – Stichwort: Urlaub – gönnt und auf sich schaut. Das ist gut und richtig.

    In diesem Jahr läuft jedoch einiges ein wenig anders. Da wäre hierzulande zunächst die ganz große Hilfsbereitschaft in Form des Wiedererwachens der Willkommenskultur, die speziell in den ersten Wochen des russischen Angriffs auf die Ukraine zu spüren war. Sehr viele nach zwei Jahren Pandemie erschöpfte Menschen haben da viel auf die Beine gestellt und sind für einen einmal mehr trägen und chronisch überforderten Staat in die Bresche gesprungen.

    Mittlerweile ist freilich der Punkt erreicht, wo man sich an den Krieg in Europa gewöhnt hat, die Zahl neu ankommender Menschen zurückgeht und die Integration derer, die bereits zu Beginn des Angriffs nach Deutschland kamen, voranschreitet. Das Gefühl, alles stehen und liegen lassen zu müssen, um zum Hauptbahnhof zu eilen und dort zu helfen, ist nicht mehr so stark. Und natürlich sind die Auswirkungen der russischen Aggression längst auch in Form von Preissteigerungen bei uns allen angekommen. Und zwar derart massiv, dass selbst Menschen, die sich nicht als arm bezeichnen würden, die Teuerungen im Geldbeutel spüren.

    Umfassende Entlastungspakete, die diese Krise zum Anlass nehmen, Armut langfristig entgegensteuern, sind von dieser Regierungen leider nicht zu erwarten. Die Wahrheit ist viel mehr, dass Armut immer ärmer wird. Die Hartz-IV-Regelsätze oder die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind lange schon viel zu niedrig. Aktuell verschärft sich die Not weiter. Mehr als ein paar Tropfen auf den heißen Stein – Stichwort: Einmalzahlung, 9-Euro-Ticket – wird es nicht geben. Das ist bedauerlich, aber eben auch nicht überraschend. Die gute Nachricht freilich: Wir alle könnten dies ändern, wenn wir politischen Druck aufbauen und uns nicht immer mit vagen Versprechungen zufrieden geben würden.

    In diesen eher angespannten Zeiten muss also die Zivilgesellschaft ran. Wir alle brauchen ein Weihnachten jetzt! Alle jene, die ein paar Euro entbehren können, sollten jetzt an die Organisation, den Verein, die Initiative des Vertrauens spenden. Besonders in Projekte, die Armut bekämpfen. Und nein, dass soll natürlich nicht bedeuteten, dass etwa Spenden für Klimaschutzanliegen nicht ebenso wichtig und richtig wären. Der Punkt ist vielmehr, dass die Teuerung gerade jetzt viele Menschen an den Rand der Verzweiflung – oder sogar darüber hinaus – bringt.

    Der langen Rede kurzer Sinn: Kramt bitte in eurem Mänteln, Jacken und Jeans, vielleicht findet ihr ja ein paar Euro, die ihr entbehren könnt. Spendet sie jetzt an ein Projekt, dem ihr vertraut. Macht einen Hauch von Weihnachten im Juni möglich.

    Danke für das Lesen dieser Zeilen!

    P.S.: Sollte eure Wahl auf uns fallen, dann freuen wir uns über Unterstützung unter folgendem Link: http://paypal.me/neukoellnhilft

  • Neukölln,  Support

    Bitte unterstützt uns!

    Liebe Menschen, wir bitten euch mal wieder dringend um finanziellen Support, um kleinere und ein bisschen größere Notlagen lindern zu können.

    https://t.co/unL5z8038F

    Bitte unterstützt uns

    Jeder Euro hilft uns, auch in diesen schwierigen Zeiten Sorgen und Überforderungen entgegenzuwirken. Was uns in den letzten Wochen durchaus zu denken gegeben hat, ist die stoische Nonchalance, mit welcher etwa beantragte Jobcenterleistungen immer weiter herausgezögert werden. Gerade so, als wäre die Dringlichkeit nicht allein wegen gesteigerter Lebenshaltungskosten gegeben. Stattdessen wiehert der Amtsschimmel. Wenn Sozialleistungen ab 01.06. über die Jobcenter ausgezahlt werden, wird dies selbstredend zu noch mehr Stillstand und langen Bearbeitungszeiten führen. Uns schwant Übles.

    Daher nochmals unsere Bitte: Helft uns helfen!

    Vielen Dank!

  • Neues,  Neukölln

    Auf der Jagd nach Passierschein A38

    Wir haben die Ostertage ein wenig zum Verschnaufen genutzt. Nun aber geht es wieder mit Karacho zur Sache. Und wir sind natürlich besorgt, dass wir ein ähnliches Schicksal erleiden wie Asterix und Obelix, die in einem römischen Verwaltungsgebäude auf der Jagd nach dem Passierschein A38 fast wahnsinnig werden, weil jedes Formular nur ein weiteres Formular bedingt und beide kreuz und quer durch sämtliche Stockwerke des Gebäudes geschickt werden. Wir werden uns bemühen, es Asterix und Obelix gleichzutun und den Spieß umzudrehen. Doch bevor wir uns dem Behördenirrsinn widmen, gibt es leider wenig Erfreuliches zu verkünden.

    Hilferuf aus Niedersachsen

    Wir haben euch Ende letzten Jahres ja vom Schicksal der schwangeren Alleinerziehenden erzählt, der zuerst ihr Kind vom Jugendamt weggenommen wurde und die dann kraftlos und unter starken Beschwerden leidend eine Abtreibung vornehmen lassen musste. Wir sind da nach wie vor mit großen Engagement bei der Sache, die Schweigepflichtsentbindung und Vollmachten (u.a. für Jugendamt, Schule, Familienkasse, Jobcenter, etc.) füllen bei uns schon einen eigenen Ordner. Trotz aller Bemühungen ist die Situation ziemlich verfahren. Der kleine Junge wird in der Schule gemobbt. Viele – wenngleich nicht alle – Beteiligte, die eigentlich über das pädagogische Rüstzeug verfügen, schieben dem Kleinen die Schuld zu. Er sei nicht beschulbar und verhaltensauffällig und könne nicht mit gleichaltrigen Kindern angemessen interagieren. Das ist – mit Verlaub – Nonsens.

    Das Kind wird in der Schule von einem Bully in der Klasse angegangen, dieser sorgt dafür, dass sich andere Kinder nicht mit dem Kleinen spielen trauen, wie mir eine Mutter eines Klassenkameraden bestätigte. Dazu kommt, dass er in der Schule von älteren Kindern schon mal auf die Toilette verschleppt und dort schikaniert wird. Und auch rassistische Sprüche „Ich will nicht mit dir spielen, weil du schwarz bist“ sind gefallen. Der aufgeweckte, liebe Junge hat Ostern in Berlin verbracht und dabei auch viel mit fremden Kindern gespielt. Keine Sekunde gab es Probleme, im Gegenteil. Das bringt uns zu der Feststellung, dass da etwas gewaltig schief läuft in dem beschaulichen Örtchen. Als der Kleine am Ostermontag zurückfuhr, hat er den gesamten Sonntag schon geheult und gebeten, nicht wieder in diesen bösen Ort zurück zu müssen. So etwas bricht uns das Herz, zumal all unsere Gespräche bislang ja zu keiner Besserung geführt haben. Die Situation ist vertrackt, die Mutter noch immer von der Angst durchdrungen, dass das Jugendamt jederzeit wieder vor der Tür stehen und ihr das Kind erneut wegnehmen könnte. Wir müssen da handeln, das steht außer Frage und werden ab jetzt alles daran setzen, Mutter und Kind nach Berlin zu holen. Eine temporäre Unterkunft ist schon in Aussicht, am Rest arbeiten wir. Eine längerfristige Wohnung ab August 2022 wird dringend gesucht! Und da es auch bei der Bewilligung von Leistungen hinten und vorne klemmt, bitten wir euch, den Beiden finanziell ein wenig unter die Arme zu greifen.

    Jobcenter – scheibchenweise!

    Beginnen wir mit einem Berliner Jobcenter, dessen Verzögerungstaktiken der Leistungsteams uns bereits länger besonders negativ aufgefallen ist.

    In einem Fall hat es sogar dazu geführt, dass eine junge Geflüchtete seit mehreren Wochen ohne Krankenversicherung in einem Berliner Krankenhaus liegt. Mittlerweile hat sich der Sozialdienst des Krankenhauses des Falls angenommen. Doch setzt das Jobcenter weiter auf Verzögerung, in dem es längst abgegebene Unterlagen nochmals anfordert. Ganz so als hätte einen Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid bzw. eine von mir formulierte Bitte um Überprüfung gegeben.

    Und das ist kein Einzelfall! Ein uns nahestehender Geflüchteter wird im Wochentakt aufgefordert, Unterlagen nachzureichen. Immer schön per Salamitaktik. Anfang April kam dann plötzlich ein Schreiben, in dem angemahnt wurde, dass gar kein Weiterbewilligungsantrag vorläge und man dies dem Geflüchteten bereits vor Wochen per Nachricht auf dem Anrufbeantworter(!) mitgeteilt habe. Diesem Bullshit werden wir entgegentreten. Dem mittlerweile in Arbeit befindlichen Geflüchteten haben wir zur Überbrückung finanziell unter die Arme gegriffen.

    Nachteilige WBS-Auslegung

    Und das ist es noch lange nicht mit dem Behördenwahnsinn. Der Bezirk Neukölln ist von einem gut geführten Wohnungsamt verwöhnt, aber das Wohnungsamt eines anderen Bezirks bereitet uns doch einiges Kopfzerbrechen. Wir haben den Verdacht, dass eine Sachbearbeiterin prinzipiell möglichst nachteilige WBS – nämlich 160er – für Geflüchtete ausstellt. In einem Fall beispielsweise wurde einem Geflüchteten, der im letzten Jahr circa 16000 Euro an Einkommen und Sozialleistungen bezogen hat, ein zukünftiges Jahreseinkommen von fast 27000 Euro brutto unterstellt. Der Geflüchtete ist übrigens gerade ab Anfang Mai wieder ohne Beschäftigung. Bewerbungsschreiben sind zwar schon raus, dennoch ist unsere Hoffnung nicht sehr groß, dass die 27000 Euro brutto nur ansatzweise realistisch sind.

    Auch einem anderen Geflüchteten wurde ein durch Zulagen erklärbarer Ausreißermonat kurz vor Antragstellung zum Verhängnis. Auch hier ging die selbe Sachbearbeiterin davon aus, dass sich das auch über die nächsten 12 Monate weiter so fortsetzt. Auf den schriftlichen Hinweis verlangt die Sachbearbeiterin nun Belege, dass nicht von weiteren zulagenstarken Monaten auszugehen ist. Als könne man dies voraussehen!