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Gesundheitssystem schadet der Gesundheit
Heute wollen wir uns mal kurz mit Geflüchteten und dem deutschen Gesundheitssystem beschäftigen. Triggerwarnung, es wird unschön! Wir haben genug Erfahrungen gemacht, um zu sagen, dass dies keine Einzelfälle sind. Ein roter Faden zieht sich durch meine Gesprächen mit Geflüchteten: Die Diskrepanz zwischen dem, was mir von Gesprächen mit Ärzt*innen berichtet wird, und den Diagnosen, die sich dann schwarz auf weiß in Arztbriefen finden.
Beginnen wir gleich mal mit einem Denkfehler, der in vielen Praxen und Kliniken weit verbreitet ist. Patient*innen sind nicht in einer Bittstellerfunktion. Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Es ist nicht allein die Aufgabe von Patient*innen, kommunikative Schwierigkeiten zu überwinden. Doch genau das wird zu oft erwartet. Selbst wenn sich Geflüchtete um bestmögliche Kooperation bemühen, kommen nicht selten Missverständnisse dabei heraus. Zum Aufwärmen fangen wir mit einer eigentlichen Lappalie an.
Es dreht sich um eine IGeL-Leistung im Rahmen einer Schwangerschaftsuntersuchung bei der Gynäkologin. Ein externes Labor sollte einen Wert bestimmen. So weit, so gut. Doch kam die Rechnung nie an, angeblich wegen ungenügender Adressdaten. Die Mahnung kam an, just in der Zeit der turbulenten Geburt. Sie wurde im Tohuwabohu übersehen. Zwei Monate später folgte dann ein Inkassoschreiben einer darauf spezialisierter Anwaltskanzlei. Eine simple IGeL-Leistung wurde so extrem aufgebläht. Eine Nachfrage beim Labor, das all das beauftragt hatte, bezüglich Kulanzlösung wurde abgeschmettert. So schnell wie ein Medizinlabor Fälle ins Inkasso schickt, kenne ich das nicht mal von abzockenden Mobilfunkunternehmen.
Problematischer ist da schon eine Geburt in einer Berliner Klinik, bei der sich Ärzt*innen und Pflegepersonal nicht die Mühe machten, eine Geburtseinleitung und den Kaiserschnitt der werdenden Mutter wirklich zu erklären. Die Mutter litt noch Wochen später an den Folgen. Und der Vater sprach erst Wochen später darüber, wie er vom Pflegepersonal angefaucht wurde, als er darum bat, sein Kind sehen zu dürfen. In einem stressigen Krankenhaussetting Frustrationen an denen auslassen, die sich vermutlich nicht wehren, ist falsch.
Mit Schrecken erinnere ich mich noch an eine Abtreibung, die ich aus der Ferne begleitet habe. Es war eine schwere Entscheidung, mitten in der Pandemie, in einem Landkreis, in dem es gerade gar keine Unterstützung hinsichtlich Schwangerschaftsabbruch gab. So geriet natürlich auch die vorherige Beratung per Telefon zur Farce. Und als wäre das nicht schlimm genug, musste die Frau dann noch in der Ambulanz ewig unter unwürdigen Umständen auf den Eingriff warten. Schlimm! Bis heute mache ich mir Vorwürfe, dies nicht besser eingefädelt zu haben.
Unvergessen ist auch der Fall eines Kindes, das im Mutterleid starb und in einer Berliner Klinik tot geboren wurde. Auch hier schickte die Klinik eine völlig überforderte Mutter kurz danach zurück in eine Brandenburgische Flüchtlingsunterkunft. Da ihr Mann sie natürlich aus Sorge begleitete, war ich dann allein mit dem Bestatter beim Begräbnis auf einem Berliner Friedhof. Die Frau erholte sich psychisch lange nicht davon. Therapeutische Hilfe wurde ihr in Brandenburg nicht zuteil.
Ich habe schon sehr depressive Geflüchtete in Psychiatrische Institutsambulanzen begleitet, die dort mit einer banalen Diagnose und netten Worten abgespeist wurden. Man sei nicht zuständig, weil der Geflüchtete nicht in Berlin wohne. Weiterbehandlung sollte in Brandenburg erfolgen. Ich habe oft genug erlebt, dass Ärzt*innen ungeniert Geld für Atteste von Geflüchteten verlangen. Oder Medikamente auf blauen und grünen Rezepten verschreiben. Woher sollen Menschen, die ohnehin nur geringe Leistungen erhalten, das Geld dafür nehmen?
Das bringt mich zu einem tragischen Fall. Ein Geflüchteter mit massiven Hornhautproblemen (Schwerbehindertengrad 100) konnte nach einer OP in einer Berliner Klinik endlich wieder besser sehen. Er erhielt Rezepte mit teuren Medikamenten, die er zur Nachsorge dauerhaft nehmen sollte. Ich organisierte eine einmalige finanzielle Unterstützung von 300 Euro über einen kirchlichen Härtefonds. Ein befreundeter Supporter übernahm die Medikamentenkosten für weitere drei Monate. Doch als kein Geld mehr da war, nahm der Geflüchtete die nötigen Medikamente einfach nicht mehr. Resultat war eine massive Verschlechterung der Augen, ein weiterer stationärer Aufenthalt in einer Klinik wurde nötig. Es ist Stand jetzt zu befürchten, dass er dauerhaft auf einem Auge blind sein wird. Natürlich mache ich mir auch Vorwürfe, beim zuständigen Sozialamt nicht mehr Druck auf eine Kostenübernahme gemacht zu haben.
Das ist nur ein kleiner Einblick. Ich könnte auch Geschichten darüber erzählen, wie einem Geflüchteten ein falscher Zahn gezogen wurde. Oder von Ärzte berichten, die eine weibliche Begleitpersonen als Partnerin des Geflüchteten abtun, anzügliche Kommentare inbegriffen. Über die Kommunikation mit Krankenkassen könnte ich sogar einen Roman verfassen. Spoiler-Alert: AOK Nordost und Barmer kämen nicht so gut weg.
Fazit: Ein Gesundheitssystem, dass auch ohne sprachliche Barrieren, Menschen oftmals unzureichend bis schlecht behandelt, zeigt sich gegenüber Geflüchteten natürlich oft völlig unsensibel.
Danke für eure Aufmerksamkeit!
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Aus unserer Beratungspraxis (II)
Uff, fragt ihr euch manchmal auch, ob ihr im falschen Film seid? Wir schon. Hier ein kleiner Einblick mit Fällen aus unserer Praxis. Doch zuerst müssen wir natürlich über den werten Herrn Merz sprechen. Das Problem ist nicht, dass Friedrich Merz lügt, wenn er behauptet, dass sich abgelehnte Asylbewerber in Deutschland die Zähne machen lassen würde und deutschen Bürgern deshalb Termine beim Zahnarzt wegnehmen würden. Das Problem besteht konkret darin, dass er damit viele Menschen erreicht, die diese Lügen glauben (wollen). In all den Jahren, in denen wir Geflüchteten dabei helfen, Arzttermin zu vereinbaren, sie nicht selten sogar begleiten, waren zahnärztliche Zermine stets unsere geringste Sorge. Und in den Fachrichtungen, in denen es verdammt schwer ist, halbwegs zeitnah einen Termin zu bekommen, schwelt der Missstand schon lange, nicht erst seit 2015 oder 2022. Da ist politisch gewollte Zwei-Klassen-Medizin die Wurzel allen Übels, nicht Hassan aus Syrien, Ibrahima aus Mali oder Svetlana aus Moldawien. Doch schauen wir uns mal ein paar Fälle aus unserer Praxis, diesmal mit dem Schwerpunkt auf medizinische Versorgung, an.
Der eigentliche Preis einer Behandlung
Er war gerade erst ein Teenager, als er zum Militär eingezogen wurde. In dem westafrikanischen Land herrschte zu diesem Zeitpunkt Bürgerkrieg. Eine Explosion verletzte ihn schwer am linken Bein. Bis heute leidet er unter dieser Verletzung. Doch dazu später mehr. Er floh in andere afrikanische Länder, wurde dort aber von Unruhen oder Hungersnöten eingeholt. Ende der 2000er erhaschte er ein Visa für Polen. Seine Absicht war jedoch nie, dort zu bleiben, er wollte in den Niederlanden um Asyl anzusuchen. Doch das Dublin-Verfahren machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Und so blieb er 10 Jahre in Polen, versuchte sich zu integrieren, heiratete eine Polin, bekam Kinder. Was er in Polen jedoch nie in ausreichendem Maße erhielt, war die medizinische Versorgung, die es ihm trotz körperlicher Einschränkung ermöglichen würde, ein annähernd normales Leben zu führen. Als schließlich auch die Ehe in die Brüche ging, stand er vor dem Nichts. So beschloss er, es abermals mit einem Asylantrag in den Niederlanden zu versuchen. Er kratzte das Geld für eine Fahrkarte zusammen, wurde aber an der deutsch-holländischen Grenze abgefangen und ins Erstaufnahmezentrum in Eisenhüttenstadt gebracht. Dank den Corona-Wirren kam es nicht zu einer Abschiebung nach Polen, mittlerweile ist Deutschland für den Geflüchteten zuständig. Er ist jetzt seit zweieinhalb Jahren hier in Deutschland. Die gute Nachricht: Hier erfuhr er eine adäquate Behandlung seiner Behinderung. Die schlechte Nachricht: Seine Perspektive in Deutschland sieht eher düster aus. Er lebt nun in einer Gemeinschaftsunterkunft nahe Berlin. Dort steckte ihm jemand meine Nummer zu. Zuerst einmal habe ich einen Anwalt eingeschaltet. Doch auch dieser meint, dass die Perspektiven für einen Aufenthaltstitel in Deutschland nicht gut seien. Anders sehe es wohl in Polen aus. Und so sehr er auch Sehnsucht nach seinen Kindern in Polen hat, so sehr fürchtet er, in das Land zurück zu müssen, dass ihm so lange Zeit so übel mitgespielt hat. Er möchte in Deutschland bleiben, weil er erst hier Zugang zu den so dringend benötigten medizinischen Leistungen hat, die eine Arbeitsfähigkeit sicherstellen. Er ist arbeitswillig, will mit dem verdienten Geld seinen Kindern ein gutes Leben ermöglichen. Der Preis für all das ist aber, dass er seine Kinder nicht im Arm halten kann. Ist er wirklich die Sorte „böser Ausländer“, der Deutschen Termine bei Ärzten und in Ambulanzen stiehlt?
Ein abwimmelndes System
Eine afghanische Familie, seit einigen Jahren hier in Deutschland, hatte Anfang 2022 Glück. Nach vielen Jahren, in denen sie in Hostels und Unterkünften in Berlin versauert ist, fand sie gerade noch vor Ausbruch des russischen Angriffskriegs hier in Berlin endlich eine eigene Wohnung. Der Preis dafür war aber hoch. Die erwachsene Tochter, die sich um alle Belange gekümmert hat, obwohl sie sich gerade auf den Beginn ihres Studium vorbereiten sollte, hat den Stress mit einem körperlichen und nervlichen Zusammenbruch bezahlt. Doch das ist Schnee von gestern, ihr Einstieg ins Studium ist mehr als nur geglückt. Eigentlich könnte nun alles gut sein, doch wurde ich dieser Tage wieder um Rat gefragt. Der mittlerweile ebenfalls volljährige Sohn der Familie leidet schon lange an einer psychischen Erkrankung. In den letzten Jahren war er deshalb viele Monate in psychiatrischen Einrichtungen in Berliner Kliniken. Nun hat sich sein Gesundheitszustand zwar leicht verbessert, eine Perspektive hat aber nicht. Die Familie hat sich schon vermehrt um Hilfestellungen bei renommierten Vereinen und Beratungsstellen bemüht, ist aber bislang immer wieder abgeblitzt. Dadurch, dass er nun volljährig ist, fallen Angebote für Minderjährige weg. Und deshalb werde ich, der ich in der Vergangenheit bereits in Krisensituation in bescheidenem Maße Unterstützung leisten konnte, nun versuchen, Türöffner zu sein. Das ist ja das eigentlich frustrierende Element an der Situation. Dass die Organisationen und amtlichen Stellen, die eigentlich Anlaufstelle sein sollten, gerne mal – bewusst oder unbewusst – Hürden aufbauen, die selbst engagierte Familien nicht überwinden können. Man wird erst mal abgewimmelt oder vertröstet. Es braucht leider, leider erst Akteure mit Kenntnis des Systems, die da einen Fuß in die Tür stellen und auch nicht weichen. Ich werde also die nächsten Wochen ein wenig Hirnschmalz und einiges an Beharrlichkeit in eine echte Problemlösung stecken müssen. Und mir ist es wirklich egal, ob dies Herrn Merz genehm ist.
Unsensible Entscheidungsfindung
Mehr als einmal haben wir uns von Geflüchteten anhören dürfen, dass ein Problem Europas die Allergien sind. In Afrika hätten sie keine Allergien gehabt, hier in Europa machen ihnen diese schwer zu schaffen. Gut, dafür gäbe es in Afrika Moskitos und Malaria, das wiederum sei zum Glück hier kein Problem. Wir kennen so einige Allergiker, denen Birke, Ragweed oder Hausstaub ordentlich zusetzen. Und da können auch Cetirizin oder Nasenssprays keine große Linderung schaffen. Darum haben wir schon mehrfach HNO-Ärzt*innen in Berlin aufgesucht. Prinzipiell ist so ein Besuch bei Fachärzt*innen kein Zuckerschlecken. Es muss ruckzuck gehen, für 5 Minuten im Behandlungsraum darf man durchaus eine Stunde Nachbesprechung einkalkulieren, um das Gehörte dann auch einzuordnen. Gerade wenn es beispielsweise um Desensibilisierungstherapie bei Allergien geht. Damals, als so manche tschadischen Geflüchteten, die wir unterstützt haben, noch ausgesprochen unsichere Aufenthaltsperspektiven hatten, wurde gern von ärztlicher Seite darauf hingewiesen, dass man diese auch 3 Jahre lang durchziehen muss, weil sonst der Schaden größer als der Nutzen sein könnte. Konnte man aber Geflüchteten, die lange von einer Abschiebung nach Italien bedroht waren, ob der Aussicht eines nicht unwahrscheinlichen Behandlungsabbruchs wirklich zu einer langfristigen Therapie raten? Irgendwie ist man in der unterstützenden Position dann doch auch in einer Rolle, ungewollt eine Entscheidung für oder gegen die Therapie zu treffen, je nachdem, wie man das Pro und Contra der ärztlichen Einschätzung in der Erklärung gewichtet. Das sollte aber so nicht sein. Ärzt*innen sollten ein unsicheres Zögern dann eben nicht mit den Worten abtun, dass man ja wiederkommen können, wenn man sich entschieden habe. Mehr Zeit für Erklärungen muss sein, selbst wenn im Wartezimmer Herr Merz sitzt.
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Die Faxen dicke
Wir haben die Faxen dicke und wittern Verschwörungen. Hier lest ihr warum…
Doch vorab einmal mehr die Bitte unseren Kampf zu unterstützen. Details dazu hier: https://www.paypal.com/pools/c/8R5xxoXdjC
Zu viele Köche
Einen Geflüchteten mit 100% Schwerbehinderung haben wir im vergangenen Jahr nach Kräften unterstützt. So konnte ich etwa Geld für teure Medikamente, die in der Nachsorge nach einer Augen-OP nötig und nicht vom Sozialamt (trotz Antrags) übernommen wurden, auftreiben. Auch sonst stand ich ihm im Kleinkampf mit Behörden bei, auch weil er betonte, dass die Sozialarbeiter in seinem Heim ihn nicht im nötigen Maße unterstützen. Ich hatte ihn auch zu Terminen zum Brandenburgischen Flüchtlingsrat begleitet. Kurzum, es schien viel zum Guten zu wenden. Dieser Tage nun wollte ich einen Antrag auf Chancenduldung bei der für ihn zuständigen Ausländerbehörde des Landkreises Potsdam-Mittelmark stellen. Doch vorher hielt er mir noch einen Wisch unter die Nase, der mir die Sprache verschlug. Sein Antrag auf Umverlegung nach Potsdam wurde genehmigt. Ein Antrag, den wohlgemerkt Sozialarbeiter vor Ort, gestellt hatten, weil er in dem Heim so unglücklich ist. Der Geflüchtete versprach sich einen raschen Ausweg aus der Misere. Was für ein Mist! Wer schon mal solche Umverteilungen durchgemacht hat, weiß ziemlich genau, dass nichts schnell geht und alle Leistung neu beantragt und geprüft werden müssen. Das Sprichwort, wonach zu viele Köche den Brei verderben, trifft hier zu gut. Und mich beschleicht der Verdacht, dass man ihn so schön aus dem Landkreis hinauskomplimentiert hat…
Sticht ins Auge
Auch im nächsten Fall aus Märkisch-Oderland geht es um einen diesmal sehr jungen Geflüchteten mit einer Augenerkrankung, die schon mehrere OPs notwendig machte. Dass er zudem an Morbus Crohn leidet, macht seine Situation nicht leichter. Vom Landkreis kommt wenig und auch das Land Brandenburg baut Mist. Im Dezember nun kam ein Ablehnungsbescheid bezüglich Neufeststellung seiner Ansprüche nach Schwerbehindertenrecht. Er habe keine Einwilligungserklärung trotz mehrfacher Aufforderung gegeben, weshalb eine aktuelle Feststellung des Gesundheitszustands nicht möglich sei, so das Landesamt für Soziales und Versorgung in Cottbus. Das ist natürlich nicht richtig, ich habe mit ihm das diesbezügliche Formular schon im Sommer ausgefüllt und dazu im Herbst noch mal ein Schreiben zwecks Nachfrage verfasst. All das will die Behörde nicht erhalten haben? Ein schlechter Scherz, den wir so jetzt nicht auf uns sitzen lassen. Die Frist für den Widerspruch ist zwar leider schon verstrichen, ein Neuantrag wird aber jetzt gestellt und eine Beschwerde hinsichtlich Bearbeitung des alten Antrags natürlich gestellt. Das Maß, in dem Bürokraten hier Hilfe verweigern, sticht nämlich wirklich ins Auge.
Bürokratensperenzchen
Apropos Bürokratie! Wir sind nun bei unserer Rundreise durch den Speckgürtel Berlins bis nach Brandenburg an der Havel gekommen. Dort wird ein Geflüchteter, der im Rahmen der Vorgriffsregelung den Antrag auf Chancenaufenthalt bereits im Herbst 2022 gestellt hat, mit allerlei bürokratischen Schikanen konfrontiert. Was er alles an Unterlagen beibringen und nachreichen soll, hat selbst mich überrascht. Es bleibt der Eindruck, dass es sich um eine Verzögerungstaktik der dortigen Ausländerbehörde handelt. So muss er unter anderem die Nebenkostenabrechnung nachreichen. Er wohnt in einem Heim, ist aufgrund von Erwerbstätigkeit nicht auf Sozialleistungen angewiesen. Er bräuchte den Aufenthaltstitel noch dazu dringend, um in einem Sorgerechtsprozess bessere Karten zu haben. Es geht also um viel für ihn und die Ausländerbehörde will alles unnötig in die Länge ziehen. Wir haben jetzt die Unterlagen zusammengesucht und die Behörde gefragt, ob ihr noch etwas einfällt, was zur Verlängerung des nach Beibringung der Unterlagen ohnehin noch 8 Wochen dauernden Genehmigungsverfahrens beiträgt. All die bürokratischen Sperenzchen müssen eine Ende haben!
Alles verloren
Ein sehr rüstiger Rentner, der viel in der Geflüchtetenhilfe macht, hatte mich vor knapp 3 Wochen aufgeregt und ratsuchend angerufen. Ein ihm flüchtig bekannter Geflüchteter stand an einem kalten Januarmorgen leicht bekleidet und ziemlich wegtreten vor seiner Tür. Er sei völlig erschöpft und schlafe jetzt auf dem Sofa, so der Bericht. Ich machte mich am späteren Nachmittag auf den Weg in den Norden Berlins. Und tatsächlich war der Zustand an Erschöpfung frappant. Kaum aufgeweckt, sagte er ein paar undeutliche Dinge und schlief gleich wieder ein. Selbst ein zur Übersetzung gerufener Geflüchteter, der zugleich als Pflegehelfer arbeitet, konnte aus ihm nichts rausbekommen. Immerhin hatte er kein Fieber, auch der Puls war normal. Wir beratschlagten, ob man ihn in ein Krankenhaus bringen oder einfach weiter ausschlafen lassen sollte. Der Rentner erklärte sich bereit, ihn bei sich erholen zu lassen. Nach gut 24 Stunden wurde der Geflüchtete allmählich gesprächiger. Er habe, wohl nicht zum ersten Male, ein kompletten mentalen Zusammenbruch gehabt. Er sei an 2 Tagen hintereinander in der Rettungsstelle eines Krankenhauses gewesen und anscheinend beide Male vom Untersuchungstisch gesprungen und getürmt. Sämtliche Habseligkeiten, also Brieftasche und die darin befindlichen Ausweise, Smartphone und sein Rucksack waren verschwunden. Eine Verlustanzeige wurde gestellt, die Fundbüros Berlin angeschrieben. Es war viel und leider auch erfolglose Arbeit. Zumal sich immer mehr herauskristallisierte, dass er wohl mehrere Tage, vielleicht sogar eine Woche, ziellos durch Berlin irrte. Was all das ausgelöst hat, ist bis heute unklar. Fest steht, dass er bei Rückkehr in sein Wohnheim bereits die fristlose Kündigung der Zeitarbeitsfirma vorfand, weil er unentschuldigt nicht zur Arbeit erschienen war. Im Moment hängt er einigermaßen in der Luft. Von dem Geld, was ihm die Firma noch schuldet, wird er wohl nicht viel sehen, weil ein guter Teil davon als Vertragsstrafe einbehalten wird. Immerhin hat er mittlerweile eine Bankkarte, eine neue Krankenversicherungskarte und auch einen neuen Aufenthaltstitel bekommen. Aber neben diesen zu ersetzenden Dingen und der finanziellen Misere stellt sich halt auch die Frage, ob er bei all dem nicht auch sich selbst und all die mühsam aufgebaute Stabilität verloren hat. Jetzt, wo sich das unmittelbare Chaos legt, werde ich vor allem versuchen, ihn zu einer psychosozialen Beratung zu bewegen.
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Immer locker bleiben, Sisyphos!
Immer locker bleiben, muntern wir uns auf. Aber momentan ist nichts einfach und alles kompliziert. Doch lest selbst, warum wir uns wie Sisyphos fühlen.
Vorab eine große Bitte: Unsere Spendenkasse (PayPal.Me/neukoellnhilft) ist leer. Zögert also nicht, wenn ihr helfen wollt und könnt, denn… Weihnachten naht!
Tausend Sorgen und kein Cent
Die letzten Monate habe ich so einiges an Hirnschmalz investiert, um den Schuldenberg eines Geflüchteten zu überblicken. So einige der bösen Briefe sind auf das Fahren ohne Ticket zurückzuführen, doch da sich der Geflüchtete auch verbal mit der Polizei angelegt hat, weil er sich rassistisch behandelt fühlte, waren auch die einige Brief von Staatsanwaltschaft und Gericht dabei. Die Tagessätze, zu denen er verurteilt wurde, lassen wenig Hoffnung zu. Dazu gesellt sich noch die eine oder andere schikanöse Forderung des Landkreises. Das Arbeitsverbot, mit dem er zudem von der Ausländerbehörde belegt wurde, zwingt ihn zur Untätigkeit. Und die Sorgen ertränkt er in Alkohol. Es ist schade, denn er ist ein kluger und zugleich charismatischer Kerl. Nun war der Plan, dass ich Ratenzahlungen aushandle und er durch eine illegale Beschäftigung Geld verdient, um mindestens 150 Euro im Monat abzustottern. So weit die Theorie. Dieser Tage nun rief er mich an und teilte mir mit, dass es mit der Arbeit nichts wird und er somit die ausgehandelten Ratenzahlungen nicht leisten könne. Dass es für ihn scheinbar keine Lösung gibt, ist extrem betrüblich. Ja, mit seiner impulsiven und aufmüpfigen Art steht er sich selbst im Wege. Aber nein, sein Leben müsste so bescheiden nicht sein. Ich bin ratlos.
Hausverbot in der VHS
Das ist mir so auch noch nicht untergekommen. Dass mir ein Brief vor die Nase gehalten wird, in welchem ein brandenburgische VHS gegenüber einer geflüchteten Frau ein Hausverbot ausspricht. Die Frau war allem Anschein nach nicht zum ersten Mal verbal mit dem Dozenten des Integrationskurses aneinandergeraten, fühlte sich schlecht behandelt. Als die Lehrkraft begann, den Wortwechsel per Smartphone zu filmen, kam es zur Eskalation. Die Frau wurde des Kurses verwiesen und wollte den Raum nicht verlassen, weshalb die Polizei eingeschaltet wurde. So das Bild, welches sich durch die Schilderung der Geflüchteten und der von mir erbetenen Stellungnahme der Direktorin der VHS ergibt. Ich habe natürlich versucht, bei der VHS eine Aufhebung des Hausverbots und die Versetzung in einen anderen Kurs zu erwirken. Leider ohne Erfolg. In der Antwort hielt man der Geflüchteten vor, dass sie nicht regelmäßig am Kurs teilgenommen habe. Die Geflüchtete wiederum argumentiert, dass sie teils deshalb nicht kommen hatte können, weil ihre Kinder daheim krank gewesen wären. Das Problem. welches sich nun stellt, ist der Mangel an alternativen Kursangeboten im Landkreis. Für mich bleibt der Eindruck, dass die Geflüchtete hier von der VHS im Stich gelassen wurde. Die Andeutung der Leitung, dass die Geflüchtete aufgrund familiärer Probleme derzeit mit einem Integrationskurs überfordert wäre, halte ich für problematisch. Die mir bekannten Probleme der Familie bestanden zumindest 2021 darin, dass die Kinder der Familie den Selbstmord eines befreundeten, geflüchteten Nachbarn quasi live miterleben mussten und viel darüber sprachen. Fassen wir also zusammen: Die Frau hat es nicht leicht und statt konstruktiven Hilfsangeboten werden ihr immer weiter Steine in den Weg gelegt. Es ist eine Schande!
Die Last der Unterhaltungsverpflichtungen
Müde schaute der Geflüchtete aus, als ich ihn dieser Tage vormittags in einem Kreuzberger Cafe traf. Er kam gerade aus der Nachtschicht eines prekären Knochenjobs. Trotz Zulagen darf er sich am Ende des Monat nur über 1400 Euro netto freuen. Und dann ist da noch der Wisch vom Jugendamt, wonach er für seine beiden Kinder, die er wochenends sehen darf, gefälligst Unterhalt zu zahlen hat. Nach Jahren, in denen er von Sozialleistungen abhängig war, gelang ihm diesen Sommer der Einstieg ins Berufsleben. Im Sommer schien noch alles gut zu werden. Er freute sich, endlich arbeiten zu dürfen, selbst ein Zimmer in Berlin hatte er gefunden. Doch nun soll er 232 Euro monatlich an Unterhalt und zudem bereits aufgelaufene Schulden an die Unterhaltsvorschusskasse in Raten bezahlen. Er zeigte mir seine Kontoauszüge, bejammerte gestiegene Wohn- und Stromkosten, zählte mir seine Verpflichtungen – er muss auch seine Familie in der Heimat helfen – auf. Da bleibt für ihn so gut wie nichts. Ich habe jetzt in einem Akt von Ratlosigkeit nochmals um eine Überprüfung des ermittelten Unterhalts angesucht und allerlei Belege hingeschickt. Er schöpfte Hoffnung. Müde freilich war er immer noch.
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Lache, wenn es nicht zum Weinen reicht
Es ist wieder einmal Zeit, euch zu berichten, was uns so umtreibt. Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr die eine oder andere Minute für diese Einblicke in unser Tun erübrigen könnt.
Wie immer ist damit die Bitte um Unterstützung verbunden. Die Zeiten sind hart und natürlich dreht man jetzt jeden Spendenpfennig mehr als dreimal um. Wenn ihr etwas entbehren könnt und wollt, zögert bitte nicht. Ohne falsche Bescheidenheit: Unser Einsatz ist oft der letzte Strohhalm für Geflüchtete! Hier der Link: https://paypal.me/neukoellnhilft
Briefe im Zug nach Nirgendwo
Beginnen wir mal mit einer Geschichte aus der Kategorie Pleiten, Pech und Pannen. Im August habe ich mir die Finger wund geschrieben, um einen Geflüchteten aus dem gröbsten Schlamassel rauszupauken. Ein Brief an eine Staatsanwaltschaft, ein Wisch an ein Amtsgericht und zwei Schriebe an Inkassofirmen. Der Geflüchtete, dem ich da helfen musste, ist kein schlimmer Finger. Nur jemand, der ein Jahr lang keine Briefe geöffnet hatte und etwa wegen wiederholtem Fahren ohne gültigem Ticket ordentlich in die Bredouille geriet. Keine Frage, das wäre eigentlich ein Fall für einen Anwalt gewesen. Der Sturkopf wollte jedoch partout keinen Anwalt haben. Ich war eigentlich recht zuversichtlich, dass sich schon alles lösen lassen würde. Spätestens seit Ende September begann ich mir jedoch Sorgen zu machen. Der Geflüchtete war telefonisch schwer bis gar nicht erreichbar, ließ vereinbarte Termine platzen und schien leider wieder dem Alkohol zuzusprechen. Längst hatten sich Antwortschreiben angesammelt, die er mir zeigen wollte. Und natürlich kam, wie es kommen musste. Ein erneuter Anlauf eines Treffens gipfelte darin, dass der Geflüchtete die Tasche mit den Briefen der vergangenen Wochen, zehn Stück sollen es gewesen sein, im öffentlichen Nahverkehr verlor. Und seither nicht wieder bekam. Nun also gilt es, die angeschriebenen Behörden und Inkassofirmen nochmals zu kontaktieren. Das wird ein Spaß. Traurig freilich ist, dass der Geflüchtete eigentlich ein sehr helles Köpfchen mit charismatischem Auftreten ist. Wie schade, dass ihn Arbeitsverbote in die Perspektivlosigkeit driften haben lassen. Und der Alkohol tut sein Übriges!
Ding-Dong-Ping-Pong
Geflüchtete haben eine Mitwirkungspflicht bei der Feststellung ihrer Identität. Wer keine Bemühungen bei der Passbeschaffung nachweisen kann, kommt über eine Duldung nicht hinaus. Doch wie sieht die Chose aus, wenn Ausländerbehörden selbst die Passbeschaffung sabotieren? Wir sind gerade mit zwei Fällen konfrontiert, bei denen zwei brandenburgische Ausländerbehörden die beigebrachten Originale von Geburtsurkunden einbehalten haben und den Geflüchteten lediglich eine mit Stempel versehene Kopie ausgehändigt haben. Doch ein Ding Dong bei der Botschaft bringt halt leider nichts. Weil besagte Botschaft gerne das Original der Geburtsurkunde vorgelegt bekommen will. Und wenn die Geflüchteten dann mit dieser Info bei der Ausländerbehörde aufschlagen, bekommen sie das Original der Geburtsurkunde freilich nicht ausgehändigt, sondern werden erneut an die Botschaft verwiesen. Dieses Ding-Dong-Ping-Pong vermochte bisher auch ein hinzugezogener Anwalt nicht zu durchbrechen. Da mit den Duldungen in beiden Fälle auch explizite Arbeitsverbote einhergehen, sind die seit mehr als 7 Jahren in Deutschland befindlichen Geflüchteten zur Untätigkeit verdammt. Könnt ihr euch ausmalen, wie es diesen beiden Menschen geht?
Elephant in the room
Machen wir uns nichts vor, Lösungen lassen nicht nur dann finden, wenn Geflüchtete im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch daran mitwirken. Und natürlich gibt es Geflüchtete, die sich zu sehr darauf verlassen, dass man Probleme schon irgendwie für sie löst. Doch gibt es auch den umgekehrten Fall. Dass Geflüchtete von mehreren Seiten Unterstützung bekommen. Aber eben nicht in dem Maße, welches nötig wäre, um die Lebenssituation nachhaltig zu bessern. Der Geflüchtete, um den es nun konkret geht, hat mindestens eine Handvoll Unterstützer, an die er sich wenden kann. Trotzdem hat sich seine Situation wieder einmal zugespitzt. Er steht Anfang Dezember ohne Zimmer da. Seit einigen Monaten schon ist er mal hier und da untergeschlüpft, eine dauerhafte Lösung fand sich nie. Eine Kirchengemeinde half ihm mit einer Meldeadresse aus, wodurch zumindest sichergestellt wurde, dass er nicht zum U-Boot wird. Doch das bessert seine Situation kaum. Er verfügt zwar über einen langfristigen Aufenthaltstitel. In der Welt prekärer Jobs lässt er sich auch nicht unterkriegen. Zugleich kommt er mit essentiellen Dingen überhaupt nicht zurecht. Er schafft es zum Beispiel nicht, eigenständig eine Banküberweisung vorzunehmen. Er scheitert an Bürokratie. Er muss an Termine bei Fachärzten erinnert werden. Doch verpasst er diese auch. Zu besonders wichtigen Terminen wird er, der seit drei Jahren eine schwerwiegende Erkrankung hat, oftmals begleitet. Eine Lösung wäre wohl eine gesetzliche Betreuung, doch diesen Elephant in the room spricht niemand an. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Der Geflüchtete ist nicht doof, ihm fehlt es halt an Konzentration und Eigenständigkeit. Momentan bin ich gerade wieder dran, ihm aus der Patsche zu helfen. Er hat vermutlich in einer Behörde in Berlin seinen Aufenthaltstitel verloren. Verlustanzeige ist gemacht, Fundbüro ist angeschrieben und auch die Ausländerbehörde wurde um einen zeitnahen Termin für die Neuausstellung des Aufenthaltstitels gebeten. Einen WBS-Antrag zur Lösung seiner Wohnsituation habe ich ebenfalls ausgefüllt. Doch selbst wenn sich auf wundersame Weise eine Wohnung für ihn findet, der Elefant im Raum wird mit einziehen.
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Update am Ende einer turbulenten Woche
Eine turbulente Woche neigt sich dem Ende zu. Lassen wir doch mal die Geschehnisse Revue passieren! Ehe wir uns die Tage mal den deprimierenden Stoff reinziehen, geht es heute relativ harmlos zu.
Vorab wie immer unsere Bitte: Unterstützt uns, sofern euch dies in diesen Zeiten möglich ist. Herzlichen Dank! Der Link: https://paypal.me/neukoellnhilft
Ein Lottotreffer und kein Glück
Zimmer/Schlafplatz in Berlin wird ab 15.10. dringend gesucht!
Was hat er doch wie ein Honigkuchenpferd gestrahlt, als er mir die frohe Kunde mitteilte. Der junge Geflüchtete aus dem Tschad hat einen Job gefunden und zwar einen, bei dem er mit einem Gabelstapler durch eine große Fabrik eines sehr angesehenen Unternehmens vor den Toren Berlins düsen darf. Er kann es kaum erwarten, Mitte Oktober dort anzufangen. Es fühlt sich für ihn wie ein Lottotreffer an, mindestens aber wie das Ende vieler Widrigkeiten an. Der Haken an der Geschichte? Er bräuchte dafür ein WG-Zimmer oder zumindest eine Couch, idealerweise im Osten Berlins. Denn im Moment wohnt er im Südwesten Brandenburgs, ein tagtägliches Pendeln ist nicht praktikabel. Und bislang ist seine so optimistisch begonnene Suche noch glücklos geblieben. Falls ihr etwas wisst oder anzubieten hat, meldet euch bitte bei uns. Denn was ist schon ein gefühlter Lottotreffer ohne Dach über dem Kopf!
Money for nothing (Inkassomathematik)
In der Stimmung für ein wenig Zahlenjongliererei? Ein Geflüchteter, nennen wir ihn einen sympathischen Chaoten, war mit einem Telefonvertrag 2021 ins Straucheln gekommen. Dass er aus der Misere nicht rauskam, ist übrigens auch einem Arbeitsverbot einer berüchtigten Ausländerbehörde zu verdanken. Zu aller Erst aber natürlich seiner Verpeiltheit! Es kam, wie es kommen musste, die Chose, ursprünglich eine Forderung über knapp 460 Euro, war mit Vollstreckungsbescheid auf circa 708 Euro angewachsen. Ein berüchtigtes Inkassoanwaltsbüro tat seinen Job, eine Begleichung der Schuld in kleinen Raten wurde vereinbart. Dafür wurde noch einmal eine Teilzahlungsgebühr von knapp über 152 Euro fällig, wodurch die Gesamtschuld also auf ungefähr 860 Euro anwuchs. Und obwohl seit über einem Jahr jedes Monat per Lastschrift ein paar Euro zurückgezahlt wurden, beträgt die Restschuld (auch dank Zinsen) noch immer fast 760 Euro, also sogar über dem im Vollstreckungsbescheid genannten Betrag. Das erste Jahr der Rückzahlung stand also unter dem Motto „Money for nothing“. Besagte 760 Euro sind, so in einem dieser Tage eintrudelnden Schreiben, nun sofort in voller Höhe fällig. Der Geflüchtete ist völlig verdattert und fragt nach dem Grund. Wir trauen Inkassoanwälten zwar grundsätzlich alles zu, werden aus dem Schreiben aber auch nicht schlau. Nächste Woche schaut da eine uns bekannte Schuldenberaterin da mal drauf.
Der Grund, weshalb wir euch dies erzählen: Es braucht endlich eine vernünftige Politik, die gangbare Wege aus Schuldenfallen ermöglicht. Wenn sich eine völlig berechtigte Ursprungsforderung von knapp 460 Euro auf die fast doppelte Höhe aufbläht, dann ist das Bockmist und verhindert einen geordneten Weg aus der Armut. Das geht so nicht weiter!
Dem Untergang geweiht (Tesla-Edition)
Wir verraten euch die bittere Wahrheit nur ungern: Wir werden alle sterben. Und zwar womöglich nicht hochbetagt auf ein erfülltes Leben zurückblickend, sondern vermutlich Minuten, nein, vielmehr Sekunden, nachdem Elon Musk dank Tesla, SpaceX und Starlink die Weltherrschaft erlangt hat. Woher wir das wissen? Ein Geflüchteter, der dieser Tage bei Tesla angefangen hat, war mit den Tücken des Tesla-Intranets überfordert. Einerseits bekam er ständig die Nachricht von Human Ressources seine Daten schnellstens zu überprüfen, weil er sonst den Lohn um einen Monat verspätet erhalten würde, andererseits wurde ihm trotz Nachfrage nicht erklärt, was denn genau fehlt. Und da bat er mich um Unterstützung. Und was soll ich sagen, das Tesla-Intranet war auf seinem alten iPhone nicht zu verwenden. Also haben wir uns auf meinem Smartphone eingeloggt, um etwaige fehlende Angaben nachzutragen. In puncto Useability war es eine einzige Katastrophe. Von einem Weltkonzern wie Tesla hätte ich so etwas nicht erwartet. Wer immer dies hier zusammengeschrottet hat, sollte besser nicht an den wirklich wichtigen Projekten herumprogrammieren.
Was übrigens noch gefehlt hatte, war ein Notfallkontakt, das Religionsbekenntnis sowie die gewünschte Anrede. Jetzt steht einer pünktlichen Lohnzahlung hoffentlich nichts mehr im Wege. Außer vielleicht ein unterirdisches Inside-Tesla-Portal.
Bye-bye Nürnberg!
Sie sind Bruder und Schwester. Beide sind aus Nigeria und als Drittstaatler wegen des Kriegs in der Ukraine nach Deutschland gekommen.. Er hat in der Ukraine Medizin studiert, sie hat eine Krankenschwesterausbildung gemacht. Jetzt sind beide in Deutschland. Er in Berlin, wo er schon Deutschkurse absolviert und eine Arbeit gefunden hat. Eine bewundenswerte Unterstützerin hat für ihn gerade eine Ausbildung eingefädelt, welche ihm wiederum eine Bleibeperspektive bietet und – auf längere Sicht gesehen – hoffentlich die Fortsetzung des Studiums. Er ist well spoken und smart, wenngleich ihn das bürokratische Wirrwarr der vergangenen Monate doch extrem frustriert. Bei seiner Schwester sieht der Fall leider anders aus. Sie hatte das große Pech, nach Bayern verteilt zu werden. Die blutjunge Frau ist mit der Situation gänzlich überfordert. In Nürnberg gestrandet hat es bislang noch nicht mit einem Deutschkurs geklappt. Jetzt wäre es eigentlich logisch, dass sie zu ihrem Bruder nach Berlin zieht. Der hat immerhin schon eine eigene Wohnung gefunden. Wenn das mal im Jahre 2022 keine Leistung ist! Aber so einfach ist ein Transfer nach Berlin leider nicht.
Bruder und Schwester kommen aus einer für nigerianische Verhältnisse nicht eben armen Familie aus Lagos, der größten Stadt des Landes. Das Argument vieler Drittstaatler aus der Ukraine, wonach eine Rückkehr in ihr Heimatland nicht zumutbar sei, greift hier nicht. Der deutsche Staat sollte natürlich dennoch ein großes Interesse haben, dass Bruder und Schwester Studium und Ausbildung hier fortsetzen können. Speziell im Bereich Pflege herrscht doch Personalmangel. Warum nur werden Drittstaatler aus der Ukraine noch immer nicht als Chance begriffen, sondern müssen im besten Fall den Weg über studienferne Ausbildungen gehen? Denn mit etwas Glück wird die junge Frau nun einen Wisch erhalten, wonach ihr ein Einstieg in eine Ausbildung zugesagt wird, wenn sie nach Berlin umverteilt würde. Eine Ausbildung im Dienstleistungsgewerbe wohlgemerkt. Den Traum vom Krankenschwesterdasein kann sie sich vorerst abschminken. Doch immerhin, hoffentlich heißt es bald Bye-bye Nürnberg.
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Mama und Kind brauchen Hilfe (Archäologie-Edition)
Liebe Leute,
unsere Arbeit erinnert uns manchmal auch an archäologische Grabungen. Und kaum kümmern wir uns um das, was man freigelegt hat, kommt ein Regenschauer und schwemmt etwas Neues zum Vorschein. Und das ist leider nicht immer erfreulich.
Archäologe ist natürlich ein toller Beruf. Vor allem für die, die als Jugendliche Agatha Christie verschlungen haben. Neugier und Forscherehrgeiz sind natürlich auch in der Flüchtlingshilfe unabdinglich. Es kommen Hilfesuchende mit ein, zwei oder drei Problemen zu uns. Sobald wir dann schon vier oder fünf der Probleme gelöst haben, tauchen Artefakte aus einer Zeit auf, in der sich niemand um nichts gekümmert hat. Aus einer Zeit, als die Betroffenen verdrängten oder kopflos agierten. So gab es nach der großen Flucht der Mutter nach Deutschland noch eine zweite Flucht vor häuslicher Gewalt von Sachsen nach Niedersachsen. Stromanschluss oder Kabelanschluss liefen an der alten Adresse auf den Namen der Mutter weiter, nur ein Teil der Briefe kam da an, wo er ankommen sollte. Eigentlich dachten wir, wir hätten ganz gut aufgeräumt. Blöd nur, dass jetzt eine Pfändung auf dem Konto liegt! Das hatten wir so dann doch nicht kommen sehen. Kurzum, wir müssen aus der Ferne jetzt helfen, ein P-Konto (P steht für Pfändungsschutz) einzurichten. Und da das Konto derzeit noch eingefroren ist, werden wir bis zur Klärung mit Einkaufsgutscheinen aushelfen.
Klar werden wir da noch etwas mit Ratenzahlung zu vereinbaren versuchen. Und prinzipiell sind wir ja auf einem guten Weg, einige Altlasten sind bereits abgetragen und trotz gestiegener Lebenshaltungskosten kommen Mutter und Kind mit ein wenig Unterstützung ganz gut über die Runden. Wenn aber einer ursprünglicher Ausstand von um die 250 Euro sich über die Zeit aufs Doppelte aufgebläht hat, dann müssen auch wir schlucken.
Wir würden uns freuen, wenn es uns mit eurer Hilfe möglich wäre, Mutter und Kind unter die Arme zu greifen und von dieser Altlast zu befreien. Denn natürlich ist auch ein Pfändungsschutz keine Dauerlösung. Eine Schuldnerberaterin, mit der wir immer wieder mal plaudern, meinte erst letztens ein wenig salopp, dass es sich mit Schulden ganz gut leben lässt, wenn man die Nerven dazu hat. Für Mutter und Kind, die gerade jetzt Stabilität brauchen, sind solch briefliche Hiobsbotschaften natürlich Gift.
Falls ihr Mutter und Kind helfen wollt, dann tut das bitte unter diesem Link: PayPal.Me/neukoellnhilft
Vielen Dank fürs Lesen dieser Zeilen. Und ja, wir würden uns auch wünschen, bei unserer archäologischen Arbeit auch mal die ganz großen finanziellen Schätze auszubuddeln. Möge der Tag mal kommen!