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Refugee Report I

Themen aus unserer Praxis

Auch heute wollen wir euch wieder Einblick in unser Tun geben. Wie immer gilt: Lesen auf eigene Gefahr. Wir wollen ja nicht, dass ihr euch vor lauter Kopfschütteln den Nacken verrenkt.

Pflegeschreck Jobcenter

Eine der zukunftsträchtigsten Ausbildungen, die man in einem alternden Deutschland machen kann, ist der Gang in die Pflege. Ein junger Familienvater aus Nigeria, in einem Brandenburgischen Kaff an der Grenze zu Sachsen-Anhalt wohnhaft, ist fest entschlossen, eine Ausbildung zum mobilen Pflegehelfer zu machen. Das zuständige Jobcenter müsste nur die Kosten dafür übernehmen. Die Weiterbildungsmaßnahme würde auch den Erwerb eines Führerscheins beinhalten, welchen man als mobiler Pflegehelfer doch ganz gut brauchen könnte. Doch genau da sperrt sich das Jobcenter. Der Erwerb eines Führerscheins gehöre nicht zu den Aufgaben der aktiven Arbeitsförderung. Es seien anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten zu prüfen. Und da in der Region ausreichend Stellen in stationären Einrichtungen vorhanden seien, sei der Führerschein in die Integration in Arbeit nicht notwendig. Unser Vorschlag zur Güte: Unnütze Jobvermittler entlassen und das eingesparte Geld in die berufliche Zukunft jener Menschen investieren, die tatsächlich einen gesellschaftlich wertvollen Beitrag leisten wollen.

Betrogen bei der Wohnungssuche

Man stelle sich einen syrischen Geflüchteten Mitte 20 vor, der 2015 nach Deutschland gekommen ist. Sein Deutsch ist mindestens auf C1-Niveau, er studiert in Berlin und arbeitet nebenbei in der Gastronomie. Also alles in Butter? Nein, seine Wohnverhältnisse sind prekär und er sucht schon länger eine neue Wohnung. Nach vielen Frustrationen, die eine Wohnungssuche heutzutage mit sich bringt, wähnte er sich im Glück. Er antwortete auf eine private Annonce, wurde zu einer Besichtigung der Wohnung in Neukölln eingeladen. Für eine Abstandszahlung von 6000 Euro würde er die Wohnung vom Vormieter übernehmen können. Er kratzte das Geld zusammen. Alles schien so zu laufen, wie es dieser Tage halt bei der Wohnungssuche so läuft. Die Schlüssel zur Wohnung würde er bei Auszug des Vormieters erhalten. Kaum war das Geld übergeben, herrschte plötzlich Funkstille. Auf keinem der bisherigen Kontaktkanäle gab es irgendeine Form von Rückmeldung. Der Syrer erstattete Anzeige. Fuhr mehrfach zur Wohnung, wo er niemanden antraf. Erst Wochen später öffnete eine ihm unbekannte Person die Tür. Es war der eigentliche Mieter der Wohnung. Dieser hat die Wohnung mehrere Monate zwischenvermietet gehabt. Allem Anschein nach hatte der vermeintliche Zwischenmieter eine in den Details raffinierte Betrugsmasche aufgezogen. Eine Nachfrage bei der Polizei ergab, dass diese den Betrug zwar ans LKA weitergeleitet hatte, aber angesichts des geringen Betrags dem Fall nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt werden würde. Der Syrer ist geknickt, blickt bei der Wohnungssuche freilich wieder nach vorn und stellt sich dabei folgende Frage: Warum nur ist es ausgerechnet ihm nicht möglich, auf bestechliche Mitarbeiter*innen städtischer Wohnbaufirmen zu treffen und auf diese Weise eine Wohnung zu ergattern? Er höre immer davon, aber Namen wolle niemand rausrücken…

Rassismusvorwurf gegen Security bei Kaufland

Zunächst die Fakten: Es geht um einen Diebstahl von einer Packung Salamisticks und eines Kosmetikartikels in der Höhe von unter 3,44 Euro in einem großen Supermarkt nahe dem Alexanderplatz. Dieser Tage flatterte der Strafbefehl ins Haus. 40 Tagessätze zu je 15 Euro, also insgesamt 600, solle der Geflüchtete zahlen. Falls bei ihm nichts zu holen sei, tritt an Stelle eines Tagessatzes ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Dass laut Strafbefehl an der Strafverfolgung ein besonderes öffentliches Interesse besteht, daran haben wir keinen Zweifel. Der Verurteilte widerspricht der Darstellung des Securitymitarbeiters, spricht davon, dass ein arabisch sprechender Securitymitarbeiter besonders Menschen mit schwarzer Hautfarbe auf dem Kieker habe. Das alles ist nicht nachprüfbar. Dass dieser Securitymitarbeiter mit Migrationshintergrund im Strafbefehl nicht als Zeuge genannt wird, ist merkwürdig. Stattdessen wird als Zeuge ein Name genannt, der sehr deutsch und doch einigermaßen einzigartig klingt. Wer diesen Namen googelt, stößt auf ein Facebook-Profil, welches allein in den letzten 2 Wochen zwei Aussagen von Alice Weidel öffentlich geteilt hat. Der Rassismusvorwurf, den der verurteilte Geflüchtete äußert, klingt aufgrund dessen nicht wirklich unglaubwürdiger. Kann es sein, dass Kaufland da mal genauer hingucken sollte? Was glaubt ihr? Lohnt es, hier nachträglich noch einen Anwalt einzuschalten?

Im Tschad brennts

Ein Putsch im Niger, eine abgesetzter Präsident in Gabun. Vom schlimmen Bürgerkrieg im Sudan ganz zu schweigen. In Afrika geht es gerade ab. Doch was es zu uns in die Nachrichten schafft, ist nur die Spitze des Eisbergs. Dass schwarze Menschen, die als Minderheit seit Jahrzehnten im Süden Libyens leben, nun aus ihren Viertel vertrieben und in Gefängnislager gesperrt werden, bleibt beispielsweise unerwähnt. Auch der Umstand, dass es in Faya, einer Oasenstadt im Norden Tschads, gerade massive Unruhen gibt, ist der europäischen Öffentlichkeit nicht bekannt. Die hiesige Bevölkerung wendet sich gerade gegen französische Soldaten der Militärbasis der Stadt, nachdem französische Soldaten aus vermeintlicher Notwehr heraus Exekutionen im Kopfschuss-Stil begehen. Diese Auflehnung gegen die französische Besatzung reiht sich nahtlos in die jüngsten Hiobsbotschaften aus dem Land ein. Da wäre der große Ansturm vor dem Krieg flüchtender Menschen aus dem Sudan, damit verbunden ist in dieser Gegend eine massive Hungersnot und eine medizinische Katastrophe. Dazu drohen die bereits begonnenen Vertreibungen aus Libyen. Und da wäre noch der von Frankreich und vom Militär gestützte Diktator, der immer neue Gründe findet keine Wahlen abzuhalten. Unsere tschadischen Freunde werden in den nächsten Wochen auch mit Demos auf den skrupellosen französischen Neokolonialismus aufmerksam machen.

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